Prolog
Irgendwo in Nimmerland …
„Warte, haben wir auch bei der Trollbrücke nachgeschaut?“
„Haben wir?“
„Was ist mit der Tonalquelle?“
„Und den Stränden rund um die Schimmernde See?“
Diese Fragen stellte ein schlanker junger Mann von unbestimmbarem Alter, aber wer ihn genauer ansah, konnte noch Reste weicher kindlicher Rundungen an seinen Wangen erkennen. Seine Augen, sein Mund und sogar seine Nase wackelten und kräuselten sich bei jedem Wort, und zwischendurch schien er intensiv nachzudenken wie ein Kleinkind, das seiner Mutter eine enorm wichtige Geschichte erzählen möchte. Seine strubbeligen Haare waren leuchtend rot, seine Augenbrauen etwas dunkler.
Und waren seine Ohren nicht ein wenig spitz?
Die Person, die seine Fragen beantwortete, hatte eindeutig spitze Ohren. Aber sogar bei genauerem Hinsehen waren sie kaum zu erkennen, außerdem war sie sehr sparsam mit ihren Antworten. Der Junge sprach zu einem kleinen goldenen Lichtschein, der funkelte und klimperte wie winzige Glöckchen. Die ganze Situation war so rätselhaft, als wäre hier ein Hypnotiseur mit einem Pendel an einer langen Goldkette am Werk, dessen Hin- und Herschwingen eine Bedeutung hatte, die sich nur einem Okkultisten erschloss.
Bei näheren Hinschauen zeigte sich, dass die kleine goldene Kugel eine winzige Frau war, die sehr spitze Ohren hatte, ernst dreinblickte und mit einem grünen Kleidchen und glitzernden Flügeln ausgestattet war. Ihr Körper schien aus energiegeladenen Rundungen zu bestehen, angefangen bei ihrem goldenen Haar mit dem wuscheligen Pferdeschwanz über ihre Hüften bis hin zu den silbernen Glöckchen an ihren Schuhen. Während sie mit ihm kommunizierte, ahmte sie den Gesichtsausdruck ihres Begleiters nach.
„Wirklich? Haben wir überall dort nachgeschaut? Oha. Und … wie wäre es mit dem hier?“
Der Junge drehte sich ruckartig um und stemmte sich gegen einen Baumstamm, als wollte er ihn aus dem Weg schieben. Tatsächlich spähte er nur dahinter. Doch auf der anderen Seite war nichts weiter zu sehen als bunte Flechten, Moos und ein paar Nashornkäfer.
Der Junge hielt abrupt in seiner Bewegung inne und schien zu Tode erschöpft zu sein. Er wirkte angespannt und enttäuscht zugleich, rutschte den Baumstamm hinunter, wobei er zwei weiße Käfer in die Flucht schlug.
Der goldene Lichtschein glitzerte zornig und flog auf und ab. Die Glöckchen klimperten tadelnd.
„Ich kann nicht mehr, Tinkerbell, ich bin fertig. Ich … ich fühle mich nicht gut.“
Die Fee – denn genau um eine solche handelte es sich hier – flog näher und musterte ihn besorgt. Und als ihr helles Licht auf sein Antlitz fiel, offenbarten sich die überaus verwunderlichen und seltsamen Einzelheiten dieser Szene. Denn weder ihr goldener Glanz noch das strahlende Sonnenlicht oder der leuchtend blaue Himmel bewirkten, dass der Junge einen Schatten warf.
Die Glöckchen klimperten sanft und hoffnungsvoll.
„Ich weiß es nicht, Tinkerbell. Wir haben jetzt überall gesucht. Doppelt und dreifach. Ich habe keine Ahnung, wo er abgeblieben sein könnte!“
Das helle Leuchten schaukelte nachdenklich auf und ab. Als befinde die Fee sich in einem Zustand, der bei Feen nur äußerst selten vorkommt: Sie dachte intensiv nach.
War womöglich sogar beunruhigt.
Aber der Junge schien sich trotz seines Schwächeanfalls vor allem für sich selbst zu interessieren. Er achtete nicht auf sie.
Sie klimperte energisch.
„Nee, ich hab keine Lust zu fliegen. Jedenfalls nicht jetzt. Ich will mich ausruhen. Du kannst allein weitersuchen. Ich muss erst mal ein Nickerchen machen. Danach wird’s mir besser gehen. Ganz bestimmt.“
Die Fee klimperte besorgt direkt vor seinem Gesicht.
„Zisch ab … und such ohne mich weiter.“ Er scheuchte si