Vorwort
Aktenkundig
Von Norbert F. Pötzl
Zu den vielen Transaktionen der Treuhandanstalt, die in den frühen 1990er-Jahren Schlagzeilen machten, zählte der Verkauf des Aufbau-Verlags, des wichtigsten Literaturverlags der DDR. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte der Vorgang zunächst durch einen der Käufer, der bis dahin nicht als Buchverleger in Erscheinung getreten war: Bernd F. Lunkewitz, Jahrgang 1947, galt als Paradiesvogel der Kulturszene in Frankfurt am Main. In seiner Studentenzeit hatte er neomarxistische Theorien propagiert, aber nach einem Praktikum bei einem englischen Immobilienunternehmen sein Studium abgebrochen und als Entwickler von Gewerbeimmobilien beträchtlichen Wohlstand erworben.
Sein Vermögen verwendete Lunkewitz zu einem Teil als Kulturmäzen und Kunstsammler. Als die Treuhand einen Käufer für den Aufbau-Verlag suchte, fragte der langjährige Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann bei Lunkewitz an, ob er nicht Lust hätte, für den bedeutendsten belletristischen Verlag der DDR »ein bisschen Geld zu geben«.1
In der Branche wollte der neue Verleger keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Aufbau-Verlag für ihn mehr war als ein Anlageobjekt. Er überließ das Verlagsgebäude in der Französischen Straße in Berlin der Treuhandanstalt und zog mit dem Betrieb in ein eigenes Haus am Hackeschen Markt. Der Literaturwissenschaftler Konstantin Ulmer, der im Sommer 2020 zum 75-jährigen Bestehen des Aufbau-Verlags eine Firmenchronik veröffentlicht hat, urteilt über den Einstieg des Marxisten und Multimillionärs ins Buchgeschäft: »Lunkewitz sorgte in der Branche zwar für manches Augenbrauenzucken, aber es war offensichtlich, dass er mit Herzblut und Ka