EINLEITUNG
Die Mutter gibt Anweisungen.
Der Junge tänzelt herum und schaut dabei auf seine Schuhe.
Die Mutter wiederholt ihre Anweisungen.
Der Junge schaut in die Luft und trippelt weiter durchs Zimmer.
Die Mutter gibt ihre Anweisungen zum dritten Mal und wird dabei, frustriert wie sie ist, lauter.
Der Junge trippelt von ihr weg und sagt: »Mutter, warum bist du bloß so eine Zicke?«
Das letzte Wort erreicht die Mutter wie kein anderes. Müde und überarbeitet wie sie ist, hätte sie sehr wohl ausrasten können, als ihr Sohn sie »Zicke« nannte. Stattdessen bewirkte das Wort, dass sie innehielt. Ihre Gedanken und Gefühle, ihr Ärger und ihre Frustration kamen plötzlich zum Stillstand. Was blieb?Zicke. Also versenkte sie sich inZicke, ihr Alltags-Koan.
Zen-Koans entstanden im 7. Jahrhundert während der Tang-Dynastie in China in Form von spontanen Dialogen zwischen Lehrern und Schülern, damals fast ausschließlich Mönche. Später, während der Song-Dynastie, wurden sie zu schriftlichen Sammlungen zusammengestellt und in eine literarische Form gebracht. Mit Hinweisen, Kommentaren, Versen und Kommentaren zu den Versen versehen, wurden Koans zum literarischen Lehrmittel, und die Koan-Literatur war fast so umfassend und ausführlich wie die Literatur zur Rechtsprechung.1
Tatsächlich bedeutet der NameKoan oderkung-an, wie es im Chinesischen heißt, »öffentlicher Aushang«, was darauf hinweist, dass man Zen-Lehrer mit Richtern verglich, die in diesem Fall definierten, was Täuschungen sind, wer ihnen unterliegt und wie man daraus erwachen kann. Damals bezog man sich auf K