Kapitel Eins
Da war etwas faul. Und das nicht im übertragenen Sinne. Etwas stank, als würde es verrotten.
»Scheiße«, murmelte ich leise vor mich hin. Ich stand in der Tür meines Antiquariats und hielt mir die Nase zu. Tupperware. Es musste ein altes Mittagessen sein.
Es war ein winterlicher, trüber Dienstag in New York City und wir waren nur zwei Wochen von Weihnachten entfernt. Durch heftige Schneefälle war die ganze Stadt schon um 7 Uhr morgens weiß bedeckt, was einen eher unheimlichen und dämpfenden Effekt hatte. Ich war extra früh in meinen Laden,Snows Antiquarisches Imperium, in Downtown Manhattan gekommen, weil ich mich um neu erworbene Ware kümmern wollte. Stattdessen tropfte nun geschmolzener Schnee von meinem Mantel auf die Fußmatte und ich versuchte, herauszufinden, woher dieser wahnsinnig furchtbare Gestank kam.
Ich hängte schnell meine Jacke und meinen Hut auf, schlüpfte aus meinen Stiefeln und in meine schon etwas abgenutzten Loafer. Dann fuhr ich mir mit den Fingern durch meine widerspenstigen Haare und strich ein paar Falten an meinem Pullover glatt, während ich durch die kleinen, vollgestopften Gänge wanderte. Hier und da hielt ich kurz an, um eine alte Lampe anzumachen, bevor ich wieder dem Geruch folgte. Das Leuchten der Lampen war gedämpft, was den Laden wie eine kleine Höhle erscheinen ließ.
Als ich beim Tresen angekommen war, auf dem eine alte Kasse aus Messing stand, stieg ich ein paar Stufen hinauf auf die erhöhte Verkaufsfläche und ließ meinen Blick durch das Geschäft schweifen. Hier roch es sogar noch schlimmer. Ich griff in meine Pullovertasche und tauschte meine Sonnenbrille gegen eine Lesebrille mit schwarzen Rändern aus. Als ich die Schreibtischlampe neben mir anschaltete, zuckte ich kurz zusammen und sah schnell zur Seite. Grübelnd starrte ich die Tür zu meiner Rechten an, die etwas offen stand. Es war eine winzig kleine Kammer, die als Büro diente. Es gab einen Computer, einen Tisch und einen Minikühlschrank für alle Fälle. Stank vergessenes Thai-Essen wirklich so schlimm?
Ich trat ein, öffnete den Kühlschrank und roch zögerlich an ein paar Menüboxen. Okay, ich sollte dringend sauber machen, aber nicht mal der halb aufgegessene Burrito war die Ursache des Geruchs.
Auf dem Weg zurück zur Kasse stöhnte ich laut auf, als ich mich umsah. Etwas musste gestorben sein. Vielleicht eine Ratte? Ich zuckte bei dem Gedanken zusammen, womöglich ein Nagetier aus New York City in meinem Laden zu finden, ging aber trotzdem in die Hocke und fing an, Boxen und Tüten beiseitezuschieben, um nach der vermeintlichen Ratte zu suchen.
Ein sanftes Klingeln wies mich darauf hin, dass die Tür geöffnet wurde. »Guten Mor… Was ist das für ein Geruch?« Mein Assistent Max rief nach mir. »Sebastian?«
»Hier drüben«, murrte ich.
Max Ridley war ein lieber Kerl. Er hatte gerade sein Kunststudium abgeschlossen und relativ schnell gemerkt, dass das seine Miete nicht zahlen würde. Er war klug und kannte sich gut mit Geschichte aus. Also hatte ich ihm einen Job an dem Tag angeboten, an dem er in den Laden gekommen war, um einen Bewerbungsbogen auszufüllen. Max war groß und hatte breite Schultern. Er war ein gut aussehender junger Mann, der vermutlich bisexuell war, oder vielle