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Ich habe die Grenze dreimal überschritten, das erste Mal widerrechtlich, gewissermaßen mit Hilfe eines Schmugglers, mindestens einmal auch rechtmäßig, und vermutlich bin ich einer der wenigen, die aus freien Stücken zu ihrem Ausgangspunkt zurückgekehrt sind.
Jene Menschen, die den Himalaya bestiegen, einen der Pole erkundet oder die Ozeane in kleinen Booten überquert haben, konnten ihre Erfolge in dicken Büchern ausbreiten. Sie haben allesamt gelogen oder zumindest einiges verschwiegen. Sie beschreiben etwa, welche Schwierigkeiten sie überwinden mussten, aber offenbaren sie auch die wahren Gründe, die tief liegenden Gründe für ihren Aufbruch?
Bei jedem menschlichen Unterfangen gibt es ein Vorher, ein Während und ein Nachher.
Einige haben in aller Ausführlichkeit von ihren Vorbereitungen berichtet. Doch was war davor? Wo liegt die eigentliche Wurzel? Die Wurzel der Wurzel?
Und was folgte darauf, auf den Himalaya, die Pole, den Atlantik oder den Pazifik, auf den von Apparaturen begleiteten Tauchgang zweitausend Meter unter dem Meer, den Aufstieg in die Stratosphäre?
In der angeblich unterworfenen Natur konnte all das nicht einmal den verschwindend geringen Wirbel bewirken, den ein vorbeifliegender Vogel für einen Augenblick in der Luft hinterlässt.
Die Menschen, denen diese Erfolge gelungen sind, hat man ausgezeichnet, gefeiert, von Stadt zu Stadt kutschiert. Sie haben Konferenzen abgehalten, und ich kenne einige, die bis zum Ende ihrer Tage von nichts als demselben unablässig wiederholten Bericht gelebt haben.
Ist es verständlich, was ich meine, wenn ich ihnen vorwerfe, gelogen oder, wenn es beliebt, betrogen zu haben? Das wahre Vorher und das wahre Nachher werden vertuscht, wahrscheinlich weil ihre Geschichten ansonsten nicht mehr derart beflügelnd wären.
Da meine eigene Erkundung, meine dreifache Erkundung, nie dem Zweck der Beflügelung diente, möchte ich von allem berichten: vom Vorher, vom Während, vom Nachher. Ich werde sogar, vielleicht weil ich Unvollständigkeit oder Unaufrichtigkeit fürchte, von Dingen berichten, die keinerlei Belang haben – oder nur für mich. Ebenfalls werde ich versuchen, meine Motive nicht zu verschleiern, auch wenn das am schwersten fällt.
Die Frage nach dem Warum – warum ich mich plötzlich ans Schreiben begebe; ich bin nicht sicher, ob ich sie beantworten kann. Manch einer wird behaupten, ich wollte Rache üben. Rache woran? Am Schicksal? Bevor ich anfange, möchte ich betonen, dass mir das Schicksal niemals Lasten auferlegt hat, dass ich nie das Gefühl hatte, es erleiden zu müssen, sondern ihm ganz im Gegenteil von Gleich zu Gleich gegenüberstand.
Ich muss mich daher nicht rächen, nicht einmal für meine Abstammung, für die ich dem Schicksal vielmehr danken möchte.
Allem, was ich getan habe, lag eine Entscheidung zugrunde, auch jenen Dingen, auf die ich nicht stolz sein kann.
Ich empfinde keine Bitterkeit, keinen Eifer. Will ich behaupten, dass ich für jene Millionen von Menschen schreibe, die ihrerseits gern die Grenze überschreiten würden, aber noch zögern oder zurückgewiesen wurden?
Einmal habe ich an diese Menschen gedacht, und es ist gut möglich, dass ich mich von dieser Vorstellung habe rühren lassen. Mein Bericht hätte dadurch leicht zu einer Art brüderlichen Botschaft werden können. Ich bin aufrichtig, wie Sie sehen.