„Ich warne dich, Georg, tu das nicht! Bleib auf dem Weg!“
Ich drehte mich zu dem Mönch um. Im Schein seiner Laterne sah Johannes bleich und ängstlich aus. Der junge Geistliche war abgestiegen und hielt sein Pferd am Zügel. Hinter ihm verschwand die Straße nach Oystheim in der Dunkelheit. Wir hatten das Örtchen bei Einbruch der Dunkelheit passiert und hätten uns vermutlich dort eine Unterkunft suchen sollen. Aus einer Tollheit heraus hatten wir beschlossen, bis nach Marköbel weiterzuziehen. Das Dorf hatte den Ruf, größer zu sein und die besseren Gasthäuser zu besitzen. Und jetzt standen wir hier, im Dunkel der Septembernacht, und hatten einen Geist vor uns. Jedenfalls war Johannes der festen Meinung, dass das flackernde Licht in einiger Entfernung ein Geist sei.
„Du kannst ja hier bleiben. Aber ich will mir dieses Phänomen näher ansehen.“ Ich hob meine Laterne, fasste die Zügel des Pferdes fester und drehte mich zu dem Licht um, das über dem Feld schwebte und auf mich zu warten schien.Will es mich irgendwohin führen?
„Im Namen des Herrn, Georg, folge nicht den Verlockungen des Satans!“, hörte ich Johannes’ angstvolle Stimme. Ich seufzte. Schon als das seltsame Licht zum ersten Mal neben dem Weg aufgetaucht war, wäre Johannes vor Angst beinahe vom Pferd gefallen. Seitdem murmelte er ein Gebet nach dem anderen. Ich amüsierte mich über ihn, obwohl ich das Licht auch unheimlich fand. Aber mich faszinierte es mehr, als dass es mich ängstigte. Das ist wohl der Unterschied zwischen einem studierten Magister und einem einfachen Mönch.
Vor einigen Augenblicken war das Licht auf dem Weg direkt vor uns erschienen, ganz nah, sodass wir anhalten mussten. Es war eine leuchtende Kugel, wie ein kleiner Stern. Nachdem wir abgestiegen waren, hatte sich das Licht zum Feld hin bewegt, neckend, auffordernd. Und ich war gewillt, mich auf sein Spiel einzulassen.
„Wir treffen uns in Marköbel“, rief ich meinem Reisegefährten zu. Wir kannten uns noch nicht lange, waren durch puren Zufall gemeinsam auf der Via Regia unterwegs. Ich war ihm nicht verpflichtet, aber ich wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. Später am Abend würden wir über dieses Abenteuer lachen.
Mein Pferd war allerdings anderer Ansicht: Es scheute und zerrte am Zügel, und ich musste alle Überredungskunst aufbieten, um es zum Weitergehen zu bringen. Der Geist entfernte sich, und ich musste mich beeilen, um aufzuschließen. Das Gelände war hügelig, und als ich mich das nächste Mal umwandte, waren die Straße und der Lichtpunkt von Johannes’ Laterne nicht mehr zu sehen. Nur meine Lampe, das Geisterwesen und die Sterne am Himmel gaben mir noch etwas Orientierung. Unwillkürlich fasste ich nach