»Die Kunstist Liebe. Liebe zur Wahrheit. Zur Schönheit. Und sogar zum Publikum.«
»Das meine ich nicht. Ich meine die Liebe Julias zu Romeo. Oder Eurydikes zu Orpheus. Die Wollust. Die Seligkeit. Kann mich all das wegreißen von der Bühne, von meinem blauen Vorhang? Sag mir, muss ich das fürchten?«
Die arme Mrs Duncan wusste nicht, was sie antworten sollte. Natürlich gab es diese Gefahr. Aber es wäre für sie selbst und für die gesamte Familie eine Katastrophe, wenn Isadora ausfiele. »Du stehst doch erst am Anfang deines Weges«, sagte sie leise, »geh ihn weiter.« In Isadoras Memoiren finden sich diese Sätze:»Mein Leben kannte nur zwei Leitgedanken – die Liebe und die Kunst. Oft zerstörte eine Liebe die Kunst, und oft beendete der herrische Ruf der Kunst tragisch eine Liebe. Die beiden standen in einem ewigen Kampf miteinander.« Damals in Budapest hat der Kampf begonnen.
Elizabeth kam an, die Frauen der Familie waren wiedervereint und wussten alle drei nicht, wie sie es so lange ohne einander ausgehalten hatten. Für Isadora aber gab es jetzt noch ein Magnetfeld außerhalb der Familie, das sie stärker anzog, als sie selbst es wollte; doch wenn sie in Oscar Beregis Armen lag, war ihr alles andere egal. Sie war rettungslos verliebt, er war es ebenso, aber abends mussten sie beide auftreten und durften keine Einsätze verpatzen. Beregi war ein offener Charakter und ein Mann der Tat, er fand es nur richtig und natürlich, dass er und seine amerikanische Julia heiraten sollten.
»Du weißt es, ich habe es dir gesagt – für mich kommt eine Ehe keineswegs in Frage«, sagte Isadora mit fester Stimme.
Er breitete die Arme aus. »Dann lass es eine wilde Ehe sein. Hauptsache, wir sind zusammen.«
»Aber – wie stellst du dir unser Leben vor? Ich werde nächste Woche auf Tournee gehen, und ich denke nicht daran, die Gastspiele abzusagen. Und du … du probst den Marc Anton …«
»Richtig. Und du kannst diese Rolle mit mir üben. Dein Urteil bedeutet mir alles. Was meinst du – wäre denn die Rolle als Frau an meiner Seite für dich so gänzlic