Der Gegenwartskapitalismus steckt nicht nur in einer ökonomischen, sondern längst auch in einer ökologischen, politischen und sozialen Funktionskrise, worauf Gegenwartsdiagnosen der »multiplen« oder »Vielfachkrise« hinweisen.1 Spätestens seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ff. besteht zudem wenig Zweifel an einer fundamentalen Hegemonie- und Legitimationskrise des Neoliberalismus. Dieser ist als lebendiger Untoter, als »Zombie-Kapitalismus«2 zwar weiterhin dominant, hat aber vom liberalen Triumphalismus der Vergangenheit in den Katastrophenmodus umgeschaltet und wird für seine sozialen und ökonomischen Verwerfungen zunehmend kritisiert. Die multiplen Krisendynamiken verdichten sich zudem zu einer fundamentalen Krise der sozialen Reproduktion: Jahrzehnte der Privatisierung, Deregulierung und Kommodifizierung haben private und öffentliche Sorgekapazitäten erodieren lassen, auf die der Kapitalismus mit seiner strukturellen »Sorglosigkeit«3 konstitutiv angewiesen ist. Die Krise der sozialen Reproduktion wird zusätzlich vom Wandel der Familien- und Geschlechterverhältnisse und der Alterung der Gesellschaft vorangetrieben und schlägt sich in Zeiten, da immer weniger Frauen ganztägig als »heimliche Ressource der Sozialpolitik«4 zur Verfügung stehen, in wachsenden Sorgeengpässen nieder. Hat sich der neoliberale Kapitalismus also gewissermaßen selbst zu Tode gesiegt – wie manche Autor*innen im Lichte dieser Dynamiken mehr prognostizieren als diagnostizieren?
Nein – lautet die Antwort dieses Buches. Der Kapitalismus stellt vielmehr aufs Neue seine enorme Wandlungsfähigkeit unter Beweis, nimmt vom jahrelang gepredigten sowie politisch exerzierten radikalen Individualismus Abstand und treibt die Suche nach gemeinschaftsförmigen Krisenlösungen und gemeinschaftsbasierter Solidarität – als neuer Ressource der Sozialpolitik – voran. Der Ego-Gesellschaft scheint die Puste aus