Kapitel
Die Indianerkarawane hatte ihr Lager am Rande des Urwalds aufgeschlagen. Ein gegrabenes Loch spendete ziemlich trinkbares Wasser, das auch der erfahrenste, hier einheimische Neger nicht zu finden gewußt hätte, weil er hier eben solches gar nicht vermutete.
Die ehemalige Kunstreitertruppe hatte sich verkleinert. Stahlherz und der Große Bär fehlten, ebenso zwei der jungen Weiber, und mit ihnen ihre Pferde und Waffen.
Die übrigen Weiber waren mit Kochen und Braten am Feuer beschäftigt, die beiden anderen Indianer, die als kriegstüchtige Männer in Betracht kommen konnten, Büffelhuf und der Kleine Bär, hockten, wie die unbrauchbar gewordenen Männer, irgendwo am Boden und rauchten ihr Kalumet, den starren Blick in die Steppe hinausgerichtet.
Käthe nähte an einem Mokassin, Reinhold lag unter einem Baum und betrachtete eine Spezialkarte dieses Landes, freilich nicht anders dargestellt als durch einen weißen Fleck, durch den eine Linie lief, der Schienenstrang, und nur an diesem waren die Ortschaften durch Kreise markiert und benannt. Viel erforschter sah der Kilimandscharo und seine Umgebung aus, aber auch nur deshalb, weil man da so viele Strichelchen eingezeichnet hatte, die verschiedenen Gebirgszüge darstellend. Sonst hieß es auch hier: terra incognita – unbekanntes Land – noch unerforscht.
»Uff!« sagte da der Kleine Bär und spuckte in weitem Bogen nach der Richtung, wo in der Steppe ein Reiter aufgetaucht war.
Deswegen nicht die geringste Aufregung in diesem Lager, auch nicht, als man erkannte, daß es ein Fremder war, der dieses Lager zum Ziel gewählt hatte. Bei diesen Navajos hatten sogar die kleinen Kinder sich schon in strenger Zucht geübt – waren erhaben über alles.
Es war ein amtlicher Wildhüter, durch die silberne Schnalle und Agraffe als Unteroffizier ausgezeichnet. Aber auch das machte hier gar keinen Eindruck, jeder blieb bei seiner Beschäftigung oder starrte weiter ins Leere – mit diesen starren Indianeraugen hatte es freilich eine besondere Bewandtnis, das hatte ja schon vorhin der Kleine Bär bewiesen, der kaum den Kopf des Reiters in der Steppe hatte auftauchen sehen können, als er ihn auch schon meldete – und erst als der Reiter nur noch dreißig Schritte von den beiden Wigwams entfernt war, stand Reinhold nachlässig auf, faltete die Karte zusammen, steckte sie in seine umgehängte Ledertasche und begab sich langsam dorthin, wo die Ankunft des Reiters zu erwarten war.
Käthe blickte ebenfalls gar nicht hin, stichelte ruhig an ihrem Lederschuh weiter – ein Zeichen, daß auch sie schon ganz zur Indianerin geworden war oder sogar sich die männlichen Tugenden der roten Rasse angeeignet hatte.
Der Forester parierte seinen mageren Klepper und begrüßte den ihm entgegentretenden weißen Häuptling mit der Hand am Schlapphut. Es war ein noch junger Mann mit germanischen Zügen, und zwar machten diese trotz der Verwitterung einen recht guten Eindruck.
»Ich komme als Freund.«
»Freut mich«, entgegnete Reinhold mit leise durchklingendem Spott.
»Mr. Reinhold Richter?«
»Bin ich.«
»Der neuernannte Marshal-Forester des Reservats?«
»Bin ich.«
»Möchte mit Euch sprechen.«
»Steigt ab!«
Der Mann glitt aus dem Sattel, sah sich suchend um.
»Solltet Ihr ohne Wasser lagern?«
»Seht Euer Pferd an, das beantwortet bereits Euere Frage.«
Der Gaul sah starr nach einer Richtung, blähte die Nüstern und scharrte ungeduldig – er witterte schon das Wasser.
»Gebt ihm die Zügel frei!«
Das freigelassene Pferd eilte sofort dem Wasserloch zu, das aber zur Vorsicht verdeckt war, auch wurde es schnell von einigen halbwüchsigen Indianerjungen, die nur darauf gelauert hatten, abgefangen und aus dem Eimer getränkt.
»Nun?«
»Ihr habt von mir nichts zu fürchten.«
»Was fürchten?«
»Ich komme nicht als Verräter.«
»Was Verräter?«
»Nicht als Spion.«
»Das ist etwas anderes.«
»Weil ich noch immer die Abzeichen der Forester-Kompanie trage.«
»Ich verstehe.«
Der Mann nahm seinen Hut vom Kopf, riß die Kokarde und die die Krempe festhaltende Agraffe ab, warf beides auf den Boden und trat verächtlich darauf. Er hatte sich deutlich genug ausgedrückt. Die Schnalle, ebenfalls die Wahrzeichen seines Amtes tragend, konnte er nicht vom Gürtel abmachen, sonst wären ihm die Hosen heruntergerutscht.
»Ich verstehe«, wiederholte Reinhold.