: J. David Simons
: Ein feines Gespür für Schönheit
: Europa Verlag GmbH& Co. KG
: 9783958901810
: 1
: CHF 11,50
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 380
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Edward Strathairn, ein hoch angesehener britischer Autor, kehrt in das herrlich gelegene Hotel in den japanischen Bergen zurück, wo er einst ein paar wundervolle Monate verbrachte. Hier, in Japan, dessen feines Gespür für Schönheit ihn fasziniert, hat er sich in das Zimmermädchen Sumiko verliebt. Und hier hat er seinen ersten Roman geschrieben, in dem er Amerika bezichtigt, die entsetzlichen Folgen der Bombardierung Tokios und der nuklearen Vernichtung von Hiroshima und Nagasaki zu verdrängen. Während sein Vorleben Stück für Stück sichtbar wird - sein Japanologie-Studium in London, seine Beziehung mit einer später berühmten amerikanischen Künstlerin -, zeigt sich, dass auch er Schuld auf sich geladen hat und vor Ereignissen flieht, die ihn nun unaufhaltsam einholen. Mit seinem komplexen, kunstvoll aufgebauten Roman gelingt J. David Simons das seltene Kunststück, eine bewegende Liebesgeschichte in einem betörenden exotischen Setting mit historisch- politischen Geschehnissen und Fragen nach Kunst und Wahrheit zu verknüpfen. London 1953: Während seines Japanologie-Studiums verliebt sich der junge Edward Strathairn in die Künstlerin Macy Collingwood. Als sich Macy von ihm trennt und in ihre Heimatstadt New York zurückkehrt, bricht Edward sein Studium ab und nimmt eine Stelle in Tokio an. Dort ermöglicht ihm eine Erbschaft, zu kündigen und sich in einem prächtigen Hotel in den Bergen einzumieten. Inspiriert von der Schönheit Japans, beginnt er seinen ersten Roman zu schreiben. Das Thema seines Buches: die Schuld, die Amerika mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki auf sich geladen hat. Als sich Edward in das Zimmermädchen Sumiko verliebt, ist er so glücklich wie nie zuvor. Doch ihre Zweisamkeit währt nicht lange, denn das Publikationsangebot eines englischen Verlags bringt Edward dazu, Japan Hals über Kopf zu verlassen.

J. David Simons, Jahrgang 1953, zählt zu den herausragenden Autoren Schottlands. Der gelernte Rechtsanwalt lebte in den 70er-Jahren in einem Kibbuz in Israel und arbeitete später als Dozent an der Kei? University in Japan. Er ist Autor zahlreicher Romane, Kurzgeschichten und Essays. Mit seinem Debütroman 'The Credit Draper' gelang ihm 2009 der Sprung auf die Shortlist des renommierten McKitterick Prize. Im kommenden Jahr wird sein neuester Roman 'A Woman of Integrity' im Europa Verlag erscheinen. J. David Simons lebt und schreibt in Glasgow.

KAPITEL EINS


HAKONE, JAPAN · 2003


»Am liebsten ist einem die Jahreszeit, in die man hineingeboren wurde«, hatte seine Mutter, ein düsteres Winterkind, oft zu ihm gesagt. Daran musste Edward, der im Oktober geboren war, denken, als sie im Taxi den Hang hinauffuhren und er den Herbstwald vorbeirauschen sah. Dieses gelb-braune Defilee von Lackbäumen, Pappeln und Ulmen, das seine Reise in die Vergangenheit begleitete, Stamm für Stamm in rascher Folge. Früher hatte er diese Jahreszeit geliebt. Doch jetzt führte ihm sein Geburtstag im Herbst nur noch den nahen Tod vor Augen. Das Welken, Verdorren, Abfallen, Verwesen.

»Wie lange noch?«, fragte Enid.

Er beugte sich vor und klopfte mit dem Stock an die halb offene Trennwand.»Nan-pun kakarimasu ka?«

»Go-fun gurai«, brummte der Fahrer und hielt die fünf Finger seiner weiß behandschuhten Hand hoch.

»Etwa fünf Minuten«, sagte Edward und ließ sich in die Lederpolster zurücksinken. Er fühlte sich immer noch etwas benommen, spürte den Jetlag und rang im Nebel der verzerrten Zeit um Klarheit, war halb hier, halb anderswo. Doch eigentlich konnte er sich nicht beklagen. Der Flug von London hatte nur vierzehn Stunden gedauert. Ein Wunder, verglichen mit seiner ersten Reise, einem frühen Flug auf der Polarroute, der sich fast zwei Tage hingezogen hatte. Um einen Blick auf den Nordpol zu erhaschen, waren alle Passagiere zur einen Seite gestürzt, und der Pilot hatte sie auffordern müssen, zurück auf ihre Plätze zu gehen, damit das Flugzeug nicht kippte.

»Es muss merkwürdig sein, wieder herzukommen«, sagte Enid.

»Ach, ich weiß nicht. Es ist jetzt ein ganz anderes Land.« Er sah sie an. Ihre ringlosen Finger spielten mit dem Verschluss ihrer Handtasche, sie blickte starr nach vorn, die Lippen zusammengepresst, der Teint blasser als sonst. »Danke, dass Sie mitgekommen sind«, sagte er mit einer Stimme, die von den vielen Stunden in der Luft noch ganz rau klang.

»Das ist mein Job.«

»Ja, aber Sie reisen doch nicht gern.« Am liebsten hätte er ihr die Hand getätschelt, damit sie sich entspannte. Als der Wagen schließlich langsamer wurde, spürte Edward, wie Panikwellen durch seinen Körper liefen. Er umklammerte den Griff seines Gehstocks.

»Der Hotelmanager heißt Takahashi«, sagte Enid. »Er hat mir bei den Vorbereitungen sehr geholfen. Bitte versuchen Sie, sich den Namen einzuprägen. Man vergisst manchmal, wie gut es Menschen tut, wenn man sich an sie erinnert. Vor allem, wenn Sie es sind.«

Das Taxi bog von der Straße ab, fuhr langsam die Zufahrt hinauf und kam auf dem Vorplatz zum Stehen. Sofort wurde die Tür auf Edwards Seite aufgerissen, kalte Luft strömte in den Fond, und eine behandschuhte Hand erschien. Edward lehnte die Hilfe des livrierten Portiers ab und kletterte mühsam aus dem Auto. Während er sich, auf seinen Stock gestützt, allmählich aufrichtete, schienen sich seine schmerzenden Gelenke einzeln zurechtzurücken, bevor er seine Umgebung in sich aufzunehmen vermochte. Ihn überkamen Freude und Dankbarkeit. Das Hotel sah genauso aus, wie er es in Erinnerung hatte. Ein verwunschenes, mittelalterliches japanisches Schloss. Die Kaskaden abgestufter grauer Dächer am Hang. Die rostroten Balkone. Die Laternen.

»Sir Edward, Sir Edward!« Ein eleganter Herr in dunklem Jackett und Nadelstreifenhose kam näher und verbeugte sich tief. »Wie schön, Sie nach so langer Zeit wieder hier begrüßen zu dürfen.« Der Hotelmanager richtete sich eilig auf und reichte ihm die Hand.

»Ah, Takahashi-san«, erwiderte Edward. »Es ist schön, wieder hier zu sein.« Er ergriff die ausgestreckte Hand. »Das ist meine persönliche Assistentin, Ms Enid Blythe.«

Takahashi trat einen Schritt zurück, schlug die Hacken zusammen und verbeugte sich erneut.

»Was für ein schönes Gebäude«, sagte Enid.

Takahashi strahlte. »Kommen Sie, ich begleite Sie hinein. Meine Angestellten kümmern sich um das Taxi und um Ihr Gepäck.« Mit einem Fingerschnippen rief er einen Portier herbei.

Edward ging auf die Drehtür zu, er seufzte vor Aufregung und Erschöpfung und spürte, dass sein Gehstock ihn erdete.

»Sie brauchen sich nicht anzumelden«, sagte Takahashi, als sie die Stufen zum Eingang erklommen hatten, und bedeutete dem Mitarbeiter am Empfang, dass seine Dienste nicht erforderlich waren. »Sie werden sehen, Sir Edward, hier hat sich kaum etwas verändert. Wir haben versucht, den ursprünglichen Stil so weit wie möglich beizubehalten.«

Edward sah sich um. Dem weitläufigen Salon mit seinem Parkettboden, der T