Einführung
Wie erzählen wir unsere Geschichte?
Im Zuge einer allgemeinen öffentlichen Aufarbeitung der Schrecken des Nationalsozialismus, der Verfolgung und Ermordung von Millionen von Menschen, des Krieges und der Flucht ist auch das besondere Schicksal der einstigen Kriegs- und Flüchtlingskinder1 endlich ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Lange Zeit durfte über das Leid dieser Kinder nicht gesprochen werden, denn im Land der Täter durfte es keine Opfer geben. Und doch waren diese Kinder Opfer der verheerenden Politik der Nationalsozialisten, die schließlich zu einem grauenhaften Krieg führte, von dem kaum eine Familie in Europa verschont blieb.
Wie lange lässt sich ein gesellschaftlich verursachtes Leid verdrängen? In der Bundesrepublik hat es fast bis ins Jahr 2000 gedauert. Mit dem Kriegskinder-Kongress2 gelang es, das bis dahin ins Private abgeschobene Leid in die Öffentlichkeit zu holen.
Schon wenige Jahre später folgten diesen ihre Nachkommen – die Kriegsenkel – und begannen, über ihr Aufwachsen bei ebenjenen (Kriegskinder-)Eltern zu sprechen. Während noch vor ein paar Jahren kaum jemand etwas mit dem Begriff »Kriegsenkel«3 anzufangen wusste, findet man heute in fast jeder größeren Stadt sogenannte Kriegsenkel-Gruppen, in denen ein reger Austausch über den langen Schatten stattfindet, der sich auch auf ihr Leben erstreckt.
Das ins Private gedrängte Leid der einstigen Kriegs- und Flüchtlingskinder wurde schließlich auch wie ein privates Thema behandelt – Familienangehörige waren dafür zuständig, ihre eigenen Kinder – die Kriegsenkel. Häufig wussten sie nicht, worunter ihre Eltern litten, und konnten sich nicht erklären, woher die bedrückende Schwere kam. Schließlich gab es dazu keine Geschichte. Intuitiv aber nahmen die Kinder wahr, dass ihre häufig schwer traumatisierten Eltern Hilfe brauchten. Nahezu von Beginn ihres Lebens an taten Kriegsenkel alles, um ihre Eltern zu »retten«. Hier beginnt ihre Geschichte. Dieses Aufwachsen mit Menschen, die von Nationalsozialismus, Verfolgung, Krieg und Flucht traumatisiert waren, hat sie geprägt.
Bis zu dieser öffentlichen Debatte haben sich die 1950er- bis 1980er-Jahrgänge verschiedene Phänomene, die für ihr Leben noch heute charakteristisch sind, nicht erklären können. Schließlich waren die Kriegsenkel doch in Frieden und in Zeiten von Wachstum und Wohlstand aufgewachsen. Welchen Zusammenhang sollte es geben zwischen ihr