ERSTES KAPITEL
Die Barbara wundert sich, dass sie immer dicker wird. Es kann doch nicht sein, dass sie schwanger ist. Ihre Blutung ist zwar zweimal schon ausgeblieben, aber das kommt von den kalten Füßen, die man sich im Weinkeller beim Abfüllen holt.
Und wie sollte sie auch schwanger sein? Schwanger wird man, wenn man mit einem Mann im Bett schläft, oder? Sie hat mit ihrer Schwester in einem Bett geschlafen, aber das ist lange her. Und sie ist einem Männergesicht nicht in die Nähe gekommen – falls die Erntehelferin, die Liesi, recht hat, dass man schon vom Küssen schwanger werden kann. Sogar dem Franz ist sie aus dem Weg gegangen, obwohl er sie immer so angeschaut hat, wenn sie vorbeigegangen ist, vom Kopf über die Brust, und seine Augen sind dann zwischen ihren Beinen hängengeblieben.
Nein, da gibt es keine Sünde in der Ortschaft Oberdürnbach, Gemeinde Maissau in Niederösterreich, im Jahr 1913. Außer hie und da eine Birne von einem Baum stehlen. Da geht alles mit rechten Dingen zu, auch am Hof des Weinhauers Alois Prager und seiner Familie. Die Mutter Caroline, der Stammhalter Alois junior und die Töchter Pauline und Barbara. Ihr Hof liegt am Ende der Ortschaft, dort, wo die Felder anfangen. In der Kellergasse steht das Presshaus mit dem Weinkeller, die weiß gekalkte Fassade mit Efeu bewachsen.
Man hat eine Magd für die Arbeit im Haus und einen Gesellen, der bei der Arbeit im Weingarten hilft. Dem jungen Alois soll einmal das Weinanbauen vererbt werden, aber er will bei der Infanterie marschieren, für Kaiser und Vaterland.
Es geht so dahin mit dem Leben am Hof, wo der Haustrunk immer am Tisch steht: ein Drittel heuriger Wein, zwei Drittel Wasser und drei Esslöffel Zucker. Das hilft gegen den Durst der ganzen Familie.
Die Barbara ist jetzt 23 und hat bisher mit den Burschen nicht viel anzufangen gewusst. Sie ist auch nicht so hübsch wie die anderen Mädchen und versteht es nicht, sich aufzuputzen.
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