Kapitel 2
Donnerstag, 11. November, 12:23 Uhr
Kriminalhauptkommissarin Maike Graf saß in ihrem Büro und legte verträumt lächelnd ihr Smartphone auf den Schreibtisch. Jochen hatte sie gerade zu einer Veranstaltung mit Mario Barth in die Westfalenhalle Dortmund eingeladen. Die Karten hatte er einem Kollegen abgekauft, dem plötzlich etwas dazwischengekommen war. Natürlich hatte Maike begeistert zugesagt. Sie war zwar eigentlich kein Mario-Barth-Fan, aber wann war sie das letzte Mal ausgegangen? Sie freute sich auf den morgigen Abend und ging in Gedanken bereits ihren Kleiderschrank durch.
Seit einiger Zeit trafen sich Jochen und Maike wieder regelmäßig, falls sie gemeinsam frei hatten. Sie war schon einmal mit Jochen liiert gewesen, als sie unter ihm als Chef im Kriminalkommissariat 11 in Dortmund gearbeitet hatte. Als er ihr einen Heiratsantrag machte, hatte sie in einer Kurzschlusshandlung die Beziehung beendet. Familie, Kinder, Haushalt, hektische Szenen waren wie ein Albtraum an ihr vorbeigezogen. Sie konnte sich ein Leben ohne ihren Beruf nicht vorstellen. Um Jochen nicht weiterhin jeden Tag über den Weg zu laufen, hatte sie sich nach Unna versetzen lassen, wo sie jetzt bereits seit vier Jahren tätig war.
Maike seufzte versonnen. Inzwischen war sie 41, da hatte sich das Thema Kinder aus ihrer Sicht sowieso erledigt. Das Klingeln des Diensttelefons riss Maike aus ihren Gedanken. Sie erkannte Jochens Dienstnummer. Hatte er noch etwas vergessen? »Ja?«
»Ich bin’s noch mal!«, erklärte er. »Diesmal leider beruflich. Im Süden von Unna ist ein Mann tot aufgefunden worden. Wir brauchen eine Weile, bis wir vor Ort sind. Kannst du dir den Tatort mit einem deiner Kollegen ansehen?«
Maike nickte. Sie würde Max Teubner, mit dem sie sich das Büro teilte, nur eben aus dem Frühstücksraum holen müssen. »Klar! Gibst du mir die Adresse?« Sie notierte sich die Anschrift eines Bauernhofs mit dem NamenHof Gänseheim. Sie kannte das Restaurant dort, das besonders für Geflügelgerichte bekannt war. Die Schlachttiere stammten aus eigener Zucht.
Teubner kam ihr bereits auf dem Flur entgegen. Er war vier Jahre älter und mit einem Meter achtzig nur fünf Zentimeter größer als sie selbst. Seine dunkelblonden Haare lagen wie immer wirr, aber er machte jetzt, nach dem Frühstück, einen wachen Eindruck. »Einsatz?«
Maike nickte. »Ein Toter in einem Waldstück Richtung Billmerich.« Das lag am Rande der Massener Heide, einem ländlichen Gebiet im Süden des Stadtteils Massen, das mit seinen Land- und Einfamilienhäusern zu den bevorzugten Wohnlagen Unnas gehörte. Maike war gespannt, mit wem sie es zu tun bekommen würden.
Zwanzig Minuten später parkten sie den Dienstwagen im Innenhof des Bauernhofs, der etwas zurückgebaut von der Hauptstraße lag. Vor Kopf ein Haupthaus mit schwarzem Gebälk und weiß verputztem Mauerwerk. Das darin befindliche Restaurant nutzte b