2. KAPITEL
Sam
Ich habe gerade erst die Tür zur Wohnung meines Vaters aufgeschlossen, da kommt mir schon seine Stimme entgegen.
»Ich bin in meinem Büro!«
Als ob ich das nicht wüsste. Ich bin ja der Meinung, dass mein Dad eigentlich gar kein so großes Apartment braucht. Schlaf- und Wohnzimmer hätte man sich sparen können. Ich habe ihn noch nie in einem anderen Raum als seinem Büro vorgefunden. Wenn er mir sagen würde, dass er zusammengerollt auf seinem Schreibtisch schläft, würde ich es nicht eine Sekunde infrage stellen.
»Bin gleich da«, rufe ich zurück, weil ich genau weiß, dass ihm schon die wenigen Augenblicke, die ich brauche, um die Tür hinter mir zu schließen und meine Jacke an die Garderobe zu hängen, zu lange dauern.
Mit schnellen Schritten durchquere ich den Flur. Wie im Rest der Wohnung sind die Wände hier kahl. Natürlich nimmt mein Dad sich keine Zeit dafür, sein Apartment einzurichten. Er hat das, was er zum Überleben braucht, der Rest wäre nur Geldverschwendung.
Manchmal weiß ich nicht, ob ich über seine extremen Einstellungen die Augen verdrehen oder doch lieber grinsen soll.
»Wie war dein erster Tag am Set?«, fragt er mich ohne Umschweife, sobald ich einen Fuß in sein Büro gesetzt habe. Es ist nur ein bisschen weniger spärlich eingerichtet als der Rest der Wohnung. Auf einem Regalbrett stehen Fotos, die ihn an den Sets der Shows zeigen, die er produziert hat. Und daneben eines von uns beiden bei meinem Highschoolabschluss. Das restliche Regal ist voll mit Aktenordnern.
Sein Schreibtisch nimmt den halben Raum ein und ist bedeckt mit Unterlagen. Und trotzdem nicht unordentlich. Auf den ersten Blick erkennt man, dass mein Vater ein System hat.
Gerade steht er hinter dem Schreibtisch und stützt sich darauf ab. Sein bohrender Blick ruht auf mir. Er scheint Dinge zu sehen, die den meisten Menschen entgehen. Ich glaube, dass mein Vater es diesem zu verdanken hat, dass er zu einem der erfolgreichsten Executive Producer im Reality-TV geworden ist.
»Interessant«, antworte ich verzögert. Obwohl ich seinen messerscharfen Blick schon kenne, seitdem ich ein Kind bin, fühle ich mich doch jedes Mal unwohl. Wenn ich seine stechenden Augen auf mir spüre, erinnere ich mich daran zurück, wie ich versucht habe, die schlechten Noten meiner Matheklausuren vor ihm zu verstecken, und doch jedes Mal kläglich gescheitert bin.
»Interessant?«, hakt mein Vater nach, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Wenn wir unsere Arbeit gut machen wollen, brauche ich ein bisschen ausführlichere Antworten von dir. Die Einschaltquoten der Show leiden unter dem Ausstieg von Hadrian und Aphrodite. Und ihr Video über die angeblich so schrecklichen Erfahrungen, die sie in ihrer schicken Villa mit Zugriff auf die Millionen ihrer Eltern gemacht hat, hat definitiv nicht geholfen. Um das Image der Familie steht es nicht gut. Die zwei Geschwister, die für die unterhaltsamsten Inhalte gesorgt haben, sind weg. Und die Öffentlichkeit will noch mehr Details erfahren, warum die zwei gegangen sind. Aber die meisten ahnen, dass sie die Antworten nicht bekommen werden, wenn sie die Show gucken. Also warum überhaupt einschalten?« Er fährt sich übers Gesicht.
Auf den ersten Blick sehen wir uns nicht ähnlich. Aber das liegt daran, dass die meisten Menschen zuerst bemerken, dass ich blonde Locken habe und er kurze braune Haare. Wenn man das ausblendet, erkennt man, dass sich unsere Gesichtszüge ähneln, auch wenn die meines Vaters wesentlich strenger wirken als meine eigenen. Wir sind ungefähr gleich groß, und unsere Augen haben fast die gleiche Farbe.
»Meine Aufgabe ist es, diese Probleme