: René Feldvoß
: Office Boy
: Selbstverlag
: 9783985510689
: 1
: CHF 2.70
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 190
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Robert Lenz ist 24 Jahre alt und arbeitet als Angestellter in einem Großhandelsunternehmen für Motorenersatzteile mit angeschlossener Servicewerkstatt. Er hasst seinen Job, seine Kollegen und seine eigene Abhängigkeit hiervon so sehr, dass er sich in eine Fantasieidentität flüchtet. Office Boy, wie er sein Gedankenkonstrukt nennt, ist nicht nur der kompetenteste Drehstuhlakrobat, den eine Schreibstube je gesehen hat, sondern obendrein auch noch der Inbegriff all dessen was Robert selbst nicht ist. Er kämpft gegen alltägliche Ungerechtigkeiten und gegen das Fehlverhalten seiner Mitmenschen, um eine Welt zu schaffen, die vor allem von Eigenverantwortlichkeit geprägt ist. Eine Welt, in der Robert nur allzu gerne leben würde. Allerdings weiß Robert im Gegensatz zu seinem Alter Ego nicht, wie er sich eine solche Welt schaffen soll. Er irrt durch sein Leben und hat außer abstrusen Rockstarphantasien keinerlei Ziele. Robert leidet dermaßen unter seiner Arbeit in der Seelenmühle, dass er einen festen Termin im Therapiekalender von Frau Doktor Sperber-Nagel hat. Während es den meisten Männern in seinem Alter bereits nach wenigen Monaten gelingt sich von ihren Ex-Freundinnen zu lösen, dreht sich Roberts Gefühlswelt jedoch auch Jahre nach der Trennung noch um seine ehemaligen Geliebten. Aus diesem Grund fällt es ihm auch einigermaßen schwer eine Beziehung mit Eva einzugehen, obwohl sich die zwei ihrer Gefühle füreinander äußerst sicher sind.Office Boy beschreibt das Arbeits- und Privatleben des Protagonisten Robert Lenz auf tragisch-komische Weise. Handlungsorte sind neben der eigenen Wohnung und der Psychotherapiepraxis seiner Therapeutin vor allem dessen Arbeitsstelle. Zentrales Thema der Handlung ist das Spannungsfeld zwischen Realität und imaginierter Scheinwelt, in dem sich die Hauptfigur bewegt. Nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen zwischen verzweifeltem Kopfschütteln und herzhaftem Lachen kann Robert sich am Ende nicht nur endlich wieder über leidenschaftliche Begegnungen außerhalb seiner Fantasie freuen, sondern auch darüber einen Entschluss gefasst zu haben, der seine Lebensziele ein wenig realistischer gestalten wird und ihn endlich aus seinem verhassten Job befreit.

René Feldvoß wurde am 1. August 1982 in Lübeck geboren und besuchte dort die Schule. Nach einer Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel und knapp einem Jahr als Berufsmusiker erlangte er 2008 die Allgemeine Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg. 2010 erfolgte der Umzug nach Hamburg.Das Studium der Geschichts- und Literaturwissenschaften an der Universität Hamburg schloss René Feldvoß im April 2014 mit dem akademischen Grad Master of Arts (M.A.) und einer Arbeit über die Selbstwahrnehmung von Arbeitsmigranten in der Bundesrepublik ab. Zwischen Januar 2015 und April 2019 arbeitete René Feldvoß an seiner Dissertation zum Thema Eishockey in der DDR. Anomalie im staatlichen Sportsystem, die im April 2020 in der Reihe Junge Sportwissenschaft des Hofman Verlags veröffentlicht wurde. Weiterhin liegen die Schwerpunkte des Autors in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. Und 20. Jahrhunderts, sowie der Zeit- und der Mediengeschichte.Nebenbei verfasst der freiberufliche Autor Artikel und Beiträge für verschiedene Printmagazine im Bereich Geschichte, Numismatik und Retro-Videogames, sowie für das CTHULHU-Rollenspiel im Pegasus Spiele Verlag. Seit 2018 erschienen im Blitz-Verlag unter dem Verlagspseudonym Cico Cavca die Bände Hybridenbrut und Ghul-City der Reihe Stahlwölfe, sowie die Kurzgeschichte Früchte der Südsee im Band Xulhu in der Reihe Lovecrafts Geschichten des Grauens.

WelcometoParadise


 

Endlich war es vorbei. Zumindest für diesen Tag. Um genau 16.01 Uhr war Robert der Schritt in die Freiheit vergönnt. Sein Bus kam um 15.59 Uhr, der nächste erst zwanzig Minuten später. Er hätte es geschafft, wenn K. nicht eine seiner Vereitelungstaktiken eingesetzt hätte.

Um Punkt 15.50 Uhrhatte Robert alles erledigt was in seinen Aufgabenbereich fiel. Die Bestellung war abgeschickt und sämtlichePäckchen lagen im Abholraum. Eigentlich hätte er jetzt einfach gehen können, aber es gab da diese unausgesprochene Regelung zwischen ihm und K., dass er immer erst zu fragen hatte bevor er ging. Dem folgte ein minutenlanges Lamentieren von K., welches an sich schon oft genug dafür gesorgt hatte, dass Robert seine Heimfahrt um zwanzig Minuten verschieben musste.

„Hast du die Bestellung gemacht? Alle Pakete nach hinten gebracht?“, jedes Mal fragte er ihn das, obwohl genau Dieses unmittelbar vor seinen Augen geschehen war.

„Ja.“, antwortete Robert für gewöhnlich.

Falls er noch keine Zigarette anhatte, entzündete er eine ebensolche stets in just jenem Moment.

„Klick, klick.“

„Mmmpp.“

Eine seiner Pausen folgte, in denen er „nachdachte.“

„Pfuuuh.“

Der Sekundenzeiger der Wanduhr tickte immer weiter auf die Zwölf zu, wodurch schließlich der Minutenzeiger wieder ein Stückchen weiterbewegt wurde. Er war schon fast bei der Elf angelangt, so dass Robert hätte laufen, oder zumindest zügig gehen müssen, um noch rechtzeitig zur Bushaltestelle zu kommen. Er war schon auf dem Sprung und hatte den Finger am Aus-Schalter seines Computers, als K.s Kopf kurz nach vorne ruckte.

Das war definitiv ein schlechtes Zeichen. Ihm musste noch irgendeine Nichtigkeit eingefallen sein mit der er Robert aufhalten konnte.

„Haben wir die Sachen für Rüttler eingepackt?“

Rüttler? Es war nie die Rede von Rüttler gewesen!

„Was wollte der denn haben?“

„Hatte ich das nicht gesagt? Der brauchte noch ‘nen Abstellmagneten mit O-Ring. Machst du das noch schnell fertig?“

Natürlich machte er das. Obwohl ihn der Gram darüber innerlich zerfraß. Er machte jeden Scheiß in diesem Laden. Doch was wäre die Konsequenz gewesen, würde er sich einmal weigern? Wahrscheinlich gar keine. Niemals würde K. ihn rausschmeißen, schon gar nicht wegen so etwas. Er würde sich damit ins eigene Fleisch schneiden, schließlich müsste er dann selbst für einen reibungslosen Ablauf im Büro sorgen. Das war in Roberts Vorstellung das Schlimmste, was K. passieren konnte. Fortgerissen von seinen geliebten Motoren, würde er am Ende selbst zum „Tintenpisser“ mutieren.

Robert holte den verdammten Abstellmagneten aus Regal Acht und den dazugehörigen Gummiring aus dem Kästchen in Regal Zehn, ganz unten. Warum zwei so offensichtlich zusammengehörige Teile nicht auch zusammen gelagert wurden, war ihm ein Rätsel. Das ganze Lagersystem war von vorne bis hinten völlig undurchsichtig. Hauptsache H. und T. wussten, wo was zu finden war. Wennman seit Anbeginn der Zeitrechnung ein bestimmtes Teil immer an demselben Ort findet und ein dazu passendes an einem ganz anderem, fragte man anscheinend nicht mehr nach dem Sinn oder Unsinn dieses Systems. Robert bezweifelte jedoch, dass überhaupt je danach gefragt worden war.

Den Ring steckte er in eine Extratüte und schnürte diese oben an einem dafür vorgesehenen Bändchen zu. Zusammen mit dem kleinen Karton, in dem sich der Magnet befand, schmiss er den ganzen Mist in eine Pappschachtel, die er zuvor mit Wellpappe ausgelegt hatte. Gerade wollte er alles zukleben, als ihm einfiel, dass er noch gar keinen Lieferschein ausgedruckt hatte.

Spätestens jetzt verabschiedete er sich von der Vorstellung noch rechtzeitig an der Bushaltestelle einzutreffen. Leicht angesäuert trottete er an seinen Arbeitsplatz zurück und schickte sich an den Rechner wieder hochzufahren. Doch K. wollte sein Unglück komplett machen.

„Ach lass Robert, den Lieferschein kann ich auch selber ausdrucken und dann reinpacken. Hau du mal ab, ich bring das Päckchen nachher nach hinten, ich bin noch ein bisschen länger da.“, verkündete er, noch bevor Robert richtig saß.

Ja toll, spitzenmäßig. Um genau 15.59 Uhr fiel ihm das ein. Nur zwei, drei Minuten früher und Robert hätte es noch schaffen können. Jetzt aber war alles verloren. Wahrscheinlich hatte diese personifizierte geistige Leere den Dreck nicht einmal absichtlich verzapft und bildete sich zudem noch ein ihm einen Gefallen zu tun.

„Gut. Danke. Dann bis Morgen.“

In Windeseile packte Robert seinen Rucksack und verschwand durch das große Rolltor nach draußen.

So eine verdammte Scheiße! Jetzt hieß es zwanzig Minuten warten. Warten. In diesem Industriegebiet, das bemitleidenswerter nicht sein konnte. So ungefähr stellte sich Robert das Leben in der damaligen Sowjetunion vor. Alles trist und grau. Nur Fabrikschornsteine und geknechtete Menschen, die sich selbst aufgegeben hatten.

Der Himmel war hier grundsätzlich grau, selbst wenn Robert seine Wohnung bei strahlendem Sonnenschein verlassen hatte. Es schien fast so, als würden hier andere Naturgesetze gelten als im Rest der Stadt. Naturgesetze, die einzig und allein dazu dienten ihn zu schikanieren.

16.11 Uhr. Immerhin. Meistens kam der Bus jedoch zu spät, so dass Robert noch mit fast einer Viertelstunde Aufenthalt ander Haltestelle rechnen musste. Er ließ seinen Blick schweifen. Doch was er zu sehen bekam, war erwartungsgemäß nur wenig erbaulich und erst recht nicht dazu