Der kleine Henrik von Schoenecker sah seinen Vater triumphierend an.
»Was habe ich gesagt, Vati? Mutti überringelt uns beide doch.«
»Na, na, Henrik, was ist denn das wieder für ein Ausdruck?« Alexander von Schoenecker gab seinem Sohn einen Klaps. »Ein solcher Ausdruck mag angebracht sein, wenn Heidi oder einer deiner Freunde dich wieder einmal hereingelegt hat, aber …«
»Mutti hat uns auch hereingelegt, Vati.« Henrik machte ein trotziges Gesicht. »Wenn wir nach Sophienlust zurückkommen, werde ich Frau Dr. Frey sagen, wie Mutti das macht. Frau Dr. Frey wollte, dass Mutti sich eine ganze Woche lang erholt. Jetzt sind wir zwei Tage in Blankenberghe, und schon will sie nach England fahren. Und du machst immer alles mit, Vati.«
Alexander von Schoenecker lachte amüsiert. »So weit kommt es noch, dass du mir vorwirfst, ich sei ein Pantoffelheld.«
»Manchmal schon, Vati. Wenn ich etwas von dir will, tust du es nicht so schnell. Aber wenn Mutti etwas will, tust du es sofort.«
»Ja, deiner Mutti kann man eben so leicht keinen Wunsch abschlagen.« Alexander von Schoenecker legte den Arm um die Schultern seiner Frau. »Und manchmal sind ihre Wünsche vernünftiger als deine, Henrik. Ich glaube, es wird ihr viel Auftrieb geben, mal zwei Tage durch London zu bummeln und alte Erinnerungen aufzufrischen. Sie kommt so selten von Sophienlust weg.«
Henrik sah nicht so aus, als würde er sich von seinem Vater umstimmen lassen. »Frau Dr. Frey hat aber gesagt, Mutti braucht Seeluft. Drei Wochen lang. Aus den drei Wochen habt ihr nur eine Woche gemacht, und jetzt wollt ihr nur zwei Tage in Blankenberghe bleiben. Wozu sind wir dann hierher in dieses belgische Seebad geflogen?«
»Damit wir näher bei Ostende sind. Von dort fährt nämlich das Fährschiff nach England.« Denise von Schoenecker lachte und drückte ihren Jüngsten an sich. »Ich glaube, Henrik, du hast doch recht. Ich habe dich überringelt.«
»Ist das wahr, Mutti?« Henrik sah sie beleidigt an.
»Nein, Henrik. Der Gedanke, nach England zu fahren, ist mir erst hier gekommen. Nun sei nicht mehr so unleidlich. Freust du dich denn nicht, London kennenzulernen?«
»Nein.« Henrik verzog das Gesicht. »Ich werde doch wieder seekrank, Mutti. Ich mag nicht auf das Schiff. Ich will hierbleiben.« Er bückte sich und streichelte einen Bernhardiner, der auf dem Teppich lag. »Gustav möchte auch, dass ich nicht schon wieder fortgehe. Wir sind so gute Freunde geworden.«
»Obwohl du dich zuerst über seinen Namen so entrüstet hast, Henrik?« Alexander von Schoenecker sah auf die Uhr. »Wenn wir noch einen Spaziergang machen wollen, müssen wir aufbrechen.«
Henrik hob sich plötzlich auf die Zehenspitzen, schielte zur Tür und tuschelte dann: »Mutti, ich weiß jetzt, wieso der Bernhardiner Gustav heißt. Yvonne hat es mir verraten. Sie sagt, Madame Laurent hat einmal einen Mann gehabt, der sie heiraten wollte. Aber dann ist er einfach nicht wiedergekommen. Und da hat sie eben ihren Bernhardiner Gustav genannt. So hieß nämlich der Mann.«
Denise seufzte. »Du hast dich also schon wieder mit dem Hausmädchen angefreundet und fragst es aus. Manchmal bist du eine richtige Klatschtante, Henrik.«
Henriks Augen blitzten. »O Mutti, Hausmädchen wissen immer interessante Dinge. Und alle mögen mich. Yvonne ist sehr lieb. Sie sagt, sie würde auch auf mich aufpassen, wenn ich nicht mit nach England fahre.«
Alexander von Schoenecker blieb an der Tür stehen. »Ach so, du hast schon vorgebaut?«
Henrik warf die Lippen auf. »Ich wusste doch, dass ihr euch von mir nichts ausreden lassen würdet.« Jetzt streckte er die Arme aus und legte sie um den Hals seiner Mutter. »Bitte, Mutti, lass mich hier in der Pension. Ich habe ja auch gar nichts dagegen, dass du mit Vati nach London fährst. Schau, für dich ist es sicher schöner, wenn nur Vati bei dir ist. Er bleibt in London ganz bestimmt vor allen Modegeschäften mit dir stehen. Ich würde dich dann doch nur ärgern, weil mich nur die Spielzeugläden interessieren.«
Denise brach in helles Lachen aus. »Von wem hast du nur diese Diplomatie gelernt, Henrik? Du bist einfach nicht zu schlagen. Aber sag mal, würdest du wirklich diese drei Tage hier in der Pension Albertine bleiben, während Vati und ich den Abstecher nach London machen?«
»Klar, Mutti, ich bin doch schon alt genug und kenne mich hier bereits aus. Es sind j