: Gilbert Adair
: Oh dear! Miss Mount und der Mord im Herrenhaus
: OKTOPUS by Kampa
: 9783311702948
: Miss Mount
: 1
: CHF 12.40
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Weihnachten 1935. Ein verschneites Herrenhaus am Rande von Dartmoor in der englischen Graf­schaft Devon. Freunde des Hauses haben sich bei Colonel Roger ffolkes (sic!) zum Festessen versammelt - oben, im Dachgeschoss, liegt die Leiche von Raymond Gentry, einem Klatsch­kolumnisten und Erpresser. In seinem Herzen steckt eine Kugel. Aber die Tür zum Dachzim­ mer war von innen verschlossen, das einzige Fenster ist mit dicken Eisenstangen vergittert, und vom Täter oder seiner Waffe fehlt jede Spur. Glücklicherweise (wenngleich nicht für den Mörder) ist einer der Gäste an diesem Abend die fabelhafte Evadne Mount, erfolgreiche Au­torin zahlloser klassischer Krimis, ihre Speziali­tät: locked in mysteries. Wer also sollte geeigneter sein, den seltsamen Dachbodenmord zu lösen? Der unsympathische Scotland­-Yard­-Inspektor Trubshaw mit Schnauzbart und Pfeife? Eher un­wahrscheinlich.

Gilbert Adair wurde 1944 in Edinburgh geboren, lebte von 1968 bis 1980 in Paris und anschließend in London, wo er 2011 starb. Er war Schriftsteller, Drehbuchautor, Übersetzer und Kolumnist und schrieb u.a. die Romane Blindband, Der Tod des Autors, Liebestod auf Long Island, Der Schlüssel zum Turm und Träumer. Aufsehen erregte auch seine Übersetzung von Georges Perecs Roman La Disparition, der im Original wie in der Übersetzung ohne den Buchstaben E auskommt.

Erstes Kapitel


»So was kann man sich eigentlich nur in Büchern vor- stellen!«

Mit zitternder Hand zündete der Colonel seine Zigarre an und fügte dann hinzu: »Verd… noch mal, Evadne, es könnte eines von deinen sein!«

»Ah, ja!«, schnaubte die angesprochene Lady und rückte den Kneifer auf ihrer Nasenwurzel zurecht. »Das beweist nur, was ich mir schon lange gedacht habe.«

»Was soll das heißen?«

»Dass du geschwindelt hast, als du mir erzähltest, wie sehr du meine Sachen magst.«

»Geschwindelt? Also, von allen …«

»Wenn du meine Romane wirklich lesen und nicht nur so tun würdest, Roger ffolkes, würdest du wissen, dass ich nie etwas mit verschlossenen Räumen mache. Das überlasse ich John Dickson Carr.«

Der Colonel überlegte offenkundig, wie er sich am besten aus der Klemme befreien konnte, in die er sich hineingeredet hatte, als seine Tochter Selina, die bis zu diesem Augenblick, das Gesicht in den Händen vergraben, neben ihrer Mutter auf dem Sofa gesessen hatte, die beiden plötzlich aufschrecken ließ und schrie: »Um Gottes willen, ihr zwei, jetzt hört doch auf! Ihr seid einfach widerlich, wenn ihr euch benehmt, als ob wir hier ein Mörderspiel machen! Ray liegt da tot« – sie machte eine theatralische Geste irgendwie in Richtung Dachgeschoss –, »mitten ins Herz geschossen! Habt ihr denn überhaupt kein Gefühl?«

Diese letzten Worte waren vernehmlich in Großbuchstaben gesprochen:HABTIHRDENNÜBERHAUPTKEINGEFÜHL? Es stimmte zwar, dass Selina möglicherweise der falschen Berufung gefolgt war, als sie sich für das Studium der Kunst statt für die Bühne entschieden hatte, aber in dieser Situation konnte niemand an ihrer Aufrichtigkeit zweifeln. Sie hatte eben erst aufgehört zu schluchzen, eine gute halbe Stunde nachdem die Leiche gefunden worden war. Und obwohl er und seine Frau alles getan hatten, was sie konnten, um sie zu trösten, hatte der Colonel in der Erregung und Verwirrung, die dieser Fund ausgelöst hatte, schon vergessen, wie stark die Gefühle waren, die seine Tochter für das Opfer hegte. Seine gesunden, rötlichen Gesichtszüge nahmen jetzt einen ziemlich schuldbewussten Ausdruck an.

»Sorry, mein Herz, sorry. Ich war reichlich gedankenlos. Es ist nur – also, dieser Mord ist so merkwürdig, da komme ich nicht so schnell drüber weg!« Er legte seinen Arm um ihre Schulter. »Verzeih mir, bitte verzeih mir.«

Dann, bezeichnend für ihn, schweiften seine Gedanken wieder ab.

»Hab noch nie im wirklichen Leben von einem Mord im verschlossenen Raum gehört«, murmelte er mehr zu sich selbst. »Das sollte man eigentlich derTimes schreiben.«

»Also wirklich, Vater!«

Während die Frau des Colonels ihrer Tochter weiterhin ohne große Wirkung das Knie tätschelte, schwebte Donald, der junge Amerikaner, den Selina an der Kunstschule kennengelernt hatte, beflissen über ihr. Aber er war einfach zu schüchtern, um zu tun, wonach er sich ganz gewiss sehnte: sie zärtlich in seine Arme zu nehmen. (Es handelte sich übrigens um Donald Duckworth, ein recht unglücklicher Name, was seine Eltern aber noch nicht wissen konnten, als sie ihn1915 tauften.)

In Wahrheit war der Colonel keineswegs der einzige herzlose Übeltäter. Obwohl man