► Jede Epoche hat offensichtlich ihre speziellen Krankheiten. Sie sind die Folge der jeweiligen Verhaltensweisen und Einstellungen der Menschen – von der Ernährung über die Hygiene bis hin zum gelebten Wertesystem und zur Spiritualität. In der Gegenwart sind die »modernen« Menschen übermäßig stark geprägt von materiellem Denken und unentwegtem Tun. Der Mangel an Liebe und Wärme sowie der wachsende Egoismus (ein »soziales Karzinom«) erzeugen körperliche und seelische Krankheiten, die typisch sind für die Veräußerlichung des Lebens: Kalt gewordene, gebrochene Herzen verursachen Infarkte und andere koronare Leiden. Stress, Aggressivität und unser viel zu hohes Lebenstempo verwandeln sich im Körper immer häufiger zu bösartigen Tumoren, in denen entartete Zellen zügellos und ungebremst wuchern.
Unsere modernen Gesellschaften scheinen ein Nährboden für diese »Zivilisationskrankheiten« zu sein, die es in so großer Zahl noch nie gegeben hat. Noch um 1930 erkrankten in den USA lediglich 3 von 100 000 Menschen an einem Lungenkarzinom – heute sind es 80. Im Krebsgeschehen spiegeln sich die Aggressionen und das unbarmherzige, wilde Wachstum des gesellschaftlichen Lebens wider. Vermutlich ist den meisten Menschen das rechte Maß verloren gegangen, der Urrhythmus ihres Lebens ist zerstört. Sie ernähren sich falsch und leben ohne den gesunden Wechsel von Schlafen und Wachsein, von Ruhe und Bewegung, von Spannung und Entspannung, von Arbeit und Pause. Viele übernehmen auch nicht mehr die Verantwortung für ihr eigenes Leben und lassen sich fast nur noch von materiellen Wünschen und Begierden steuern. Diese einseitige Haltung ist gefährlich, weil sie etwas sehr Wichtiges vergisst: dass nämlich im Menschen die Organe mit ihren unterschiedlichen Funktionen, die Zellverbände und die einzelnen Zellen auf schwer durchschaubare, aber wunderbare Weise zueinander in Beziehung stehen. Leib, Seele und Geist sind ein Gesamtkunstwerk des Lebens, in dem alles miteinander verflochten und verwoben ist. Ob kleinste Körperzelle, Gefühle oder das faszinierende Ineinandergreifen einer universalen Ordnung: Alles steht mit allem in Beziehung – der ganze Mensch ist eingebunden in die großen Zusammenhänge der Schöpfung. Deshalb ist es unklug, wenn man eine Krebserkrankung nur punktuell als Tumor behandelt, statt den Blick auf den ganzen Menschen zu erweitern.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag Krebs in der Todesursachen-Statistik noch an siebter Stelle, heute stehen die bösartigen Tumore gemeinsam mit Herz- und Kreislaufkrankheiten an der traurigen Spitze. Wegen der steigenden Lebenserwartung in der westlichen Welt und weil sich die Menschen in der Zukunft vermutlich noch ungesünder ernähren werden als heute, ist sogar zu befürchten, dass die Zahl der Neuerkrankungen weiter drastisch steigt – Fachleute halten in den nächsten zwanzig Jahren eine Zunahme um 50 Prozent für wahrscheinlich. In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 500 000 Menschen an Krebs, in der Schweiz und in Österreich jeweils knapp 40 000, vor allem an Karzinomen in Darm, Brust, Lunge und Prostata.
Die Diagnose Krebs schockiert. Sie wird immer noch mit Hoffnungslosigkeit, meist mit Unh