: Erica Maria Meli
: Ich halte deine Hand: Von einem geliebten Menschen Abschied nehmen
: Aquamarin Verlag
: 9783968612522
: 1
: CHF 8.80
:
: Familie
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Die Schweizer Sterbebegleiterin, die durch ihr Erstlingswerk„Sterben in Achtsamkeit“ einem breiten Publikum bekanntgeworden ist, geht in diesem Buch sowohl auf die seelisch-geistigen Prozesse ein, die sich bei jenen Menschen abspielen, die gerade ihre Erdenhülle verlassen, als auch auf die tiefen und bewegenden Gefühle jener, die einen geliebten Menschen in eine andere Welt gehen lassen müssen.
Dieses Werk ist ein Buch, das Mut macht, das Hoffnung schenkt und das wertvolle Hilfe bietet, um jene schicksalhaften Stunden am Ende eines Menschenlebens bewusst und achtsam zu durchleben. Der Tod ist nicht das Ende, sondern nur ein neuer Anfang. Doch dieser Anfang wird leichter für den, der sich verabschiedet, wenn die geliebten Menschen, die er zurücklassen muss, um die Prozesse wissen, die sich am Ende eines Lebenstages abspielen.
Ein wundervoll einfühlsames Buch zur Sterbebegleitung, das wertvolle Hilfestellung in schweren Stunden schenkt!

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Erlebnisberichte und spirituelle Erfahrungen


Der Stern von Bethlehem


Eine Geschichte, die ich in der eigenen Verwandtschaft erleben durfte, hat mir einmal mehr bewusst gemacht, dass Menschen ihren Tod vorausahnen können.

Als mein Mann und ich in Begleitung von Verwandten den Weihnachtsgottesdienst besuchten, wurde in der Kirche das Lied „Das isch de Stärn vo Bethlehem“ (Das ist der Stern von Bethlehem) gesungen. Das Lied kommt im schweizerdeutschen, für einen Kinderchor geschriebenen und komponierten, Weihnachtsspiel „D Zäller Wiehnacht“ vor.

Die letzte Strophe des Liedes lautet:

Lobed und danked eusem Stärn

Folged ihm noh und folged gärn!

Eimal, dänn winkt er eus und trait

Über-n-eus i d’Ewigkeit,

Über-n-eus i d’Ewigkeit

(In der Schriftsprache: Lobt und dankt unserem Stern / folgt ihm nach und folgt ihm gern/ Einmal, da winkt er uns und trägt uns hinüber in die Ewigkeit.)

Meine Tante schubste mich leicht an und flüsterte mir zu: „Mich holt auch einmal der Stern von Bethlehem.“

„Ja, vielleicht, aber nicht gar so schnell, nicht wahr“, flüsterte ich zurück.

Zwei Jahre danach sollten sich die Worte meiner Tante erfüllen. Die alleinstehende Frau, die für die ganze Verwandtschaft immer viel getan hatte, wurde ernsthaft krank und brauchte Hilfe. Wir haben uns abwechselnd und so gut es eben ging um sie gekümmert, um ihr etwas von ihrer Liebe und Fürsorge zurückgeben zu können. Aber schließlich kamen wir alle an einen Punkt, von dem aus es einfach nicht mehr weitergehen konnte. Trotz besten Willens waren wir nicht mehr fähig, die immer anstrengender werdende Pflege zu bewältigen Der Zeitpunkt einer Verlegung ins Pflegeheim war gekommen.

Heiliger Abend, 17 Uhr: Der Lebenswille meiner Tante reichte nicht mehr aus, um gegen die Krankheit zu kämpfen. Es war meine Aufgabe, ihr dies bewusstzumachen.

Ich setzte mich ans Bett von Tante A.: „Schau, meine Liebe, Du weißt, dass wir Dich lieben, und Du weißt auch, das wir traurig sein werden, wenn Du uns verlässt. Aber Du spürst, dass Dein Körper kraftlos geworden und der Moment gekommen ist, da Du heimgehen darfst. Mein Mann und ich haben Dir versprochen, während der Weihnachtstage bei Dir zu bleiben. Aber ich muss Dir sagen, dass wir Dich nach den Feiertagen in ein Pflegeheim bringen müssen, weil die Pflege uns überfordert. Wenn Du in Deinem Haus und in unserer Gegenwart sterben und heimgehen möchtest, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt. Gibt es einen schöneren Augenblick für den Übergang, als an Weihnachten ins ewige Licht zu gehen – dorthin, wo schon alle Deine Lieben auf Dich warten?“

Tante A. hat mich mit großen Augen nochmals lieb angeschaut und geflüstert: „Danke.“ Das war das letzte Wort, das sie gesprochen hat.

Um 18 Uhr ist die Krankenschwester gekommen. Wir haben Tante A. noch