: Fabienne Siegmund
: Das zerbrochene Mädchen
: Verlag Torsten Low
: 9783966291026
: 1
: CHF 6.20
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: Märchen, Sagen, Legenden
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Märchen für Erwachsene Ein Mädchen, dessen Herz in Abertausende von Federn zerbricht. Ein Illusionist, dem kein Trick mehr gelingt. Ein Moor, in dem es Jäger aus Licht und Schatten gibt. Mylady Muerte, die ihre Nebel auf Menschenjagd schickt. Ein Meer voller Seelen, zu dem die Dämmerkatz' führt. 'Fabelwesen, Zauberer und märchenhafte Gefährten - Fabienne Siegmund bevölkert unsere Welt mit den Geschöpfen ihrer überbordenden Fantasie, und zeigt uns die Magie, die sich noch hinter den Fassaden alter Städte oder tief in unseren Herzen verbirgt.' Oliver Plaschka

Fabienne Siegmund wurde im März 1980 geboren und lebt heute in der Nähe von Köln. Zunächst versuchte sie sich als Kinderkrankenschwester und Buchhändlerin, ehe sie eine Ausbildung als Bürokauffrau bei einem Hörbuchverlag abschloss. Die begeisterte Leserin von fantastischen und märchenhaften Stoffen hat sich schon früh Geschichten erdacht und schreibt diese mittlerweile auf. Gelesen werden können sie bislang in verschiedenen Anthologien, Zeitschriften und Magazinen. Seit 2006 ist sie Herausgeberin der Literaturzeitschrift 'Blätterwelt'. Mit der Anthologie 'Geisterhafte Grotesken' trat sie erstmalig als Herausgeberin im Verlag Torsten Low in Erscheinung.

Londons Nebel


Die Nebel von London konnten alles sein.

Liebe, die sich in Herzen schlich und die Sicht verschleierte. Furcht, die sich wie ein grauer Mantel um die Brust legte und die Luft zum Atmen raubte. Traurigkeit. Hass. Rettung. Verderben. Alles. Und vermischten sie sich mit dem Rauch, der aus den Schornsteinen in den Himmel stieg, konnten sie sogar Gestalt annehmen.

Jede Gestalt.

Weil Rauch und Nebel wie Wolken sind.

Sie konnten über die Dächer tanzen oder schattengleich durch die Gassen der Stadt an der Themse schleichen. Dann waren sie Jäger. Nahmen jemanden mit, einfach so.

Nie mehr tauchte dieser Jemand dann wieder auf.

Stella hatte gesehen, wie die Nebelgestalten Mary mitgenommen hatten. Direkt vor ihrer Nase war es gewesen, am Ufer der Themse, dicht bei der Tower Bridge. Sie hatten Verstecken und Fangen gespielt, obwohl sie für solche Spiele längst zu alt schienen. Aber manchmal kehrten sie zurück in die Tage ihrer Kindheit, in denen das Leben sehr viel einfacher gewesen war. Wie Urlaub war das, wie ein kleines Stück Sonnenschein im regenverhangenen Grau der Stadt.

Doch dann — ganz plötzlich — waren die Nebel aus den Wogen der Themse gekrochen. Zuerst hatten sie sich keine Gedanken gemacht. Das war London, und in London lebten die Nebel. Aber dann waren im Nebel andere Nebelgestalten aufgetaucht. Dunkler. Beinah schwarz, wie die dunkelsten Schatten bei Nacht.

Stella hatte Mary wegziehen wollen, aber gerade als sie nach der Hand ihrer besten Freundin hatte greifen wollen, waren da andere Hände, kleine Hände, die sie von ihr wegzogen. Marys Augen waren voller Unverständnis gewesen, doch ehe sie auch nur etwas rufen konnte, hatte eine der schwarzen Nebelrauchgestalten nach Mary und ihrem gepunkteten Regenschirm gegriffen und war mit ihr verschwunden. Auch alle anderen Nebelgestalten hatten sich dann in Luft aufgel