: Gustave Flaubert
: Madame Bovary. Sittenbild aus der Provinz Reclam Taschenbuch
: Reclam Verlag
: 9783159618975
: Reclam Taschenbuch
: 1
: CHF 8.70
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 440
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als Emma den Landarzt Charles Bovary heiratet, träumt sie von Liebe, Luxus und Leidenschaft, von einem Leben, wie sie es aus ihren Romanen kennt. Doch der Alltag in der Provinz ist ganz anders als erhofft. In ihrem Bestreben, ihre Sehnsüchte zu erfüllen, lässt sie sich verführen und setzt damit eine verheerende Spirale aus Betrug und Verzweiflung in Gang. Gustave Flaubert brachte sein Ehebruchroman eine Anklage wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral ein. Das Gericht sprach den Autor zwar frei, rügte aber insbesondere den schockierenden Realismus, der sich in der erotisch aufgeladenen und psychologisch scharfen Darstellung der Emma Bovary zeigte. - Mit einer kompakten Biographie des Autors.

Erster Teil


I


Wir hatten Arbeitsstunde, als der Direktor hereinkam; ihm folgten ein »Neuer«, der noch sein Zivilzeug anhatte, und ein Pedell, der ein großes Pult trug. Die geschlafen hatten, fuhren hoch, und alle standen auf, als seien sie beim Arbeiten überrascht worden.

Der Direktor deutete uns durch eine Handbewegung an, dass wir uns wieder setzen sollten; dann wandte er sich an den Studienaufseher:

»Monsieur Roger«, sagte er halblaut zu ihm, »diesen Schüler hier möchte ich Ihrer Obhut empfehlen; er kommt in die Quinta. Wenn sein Verhalten und sein Fleiß lobenswert sind, kann er ›zu den Großen‹ kommen, zu denen er seinem Alter nach gehört.«

Der Neue war in dem Winkel hinter der Tür stehengeblieben, so dass man ihn kaum hatte wahrnehmen können; er war ein Bauernjunge, ungefähr fünfzehn Jahre alt und größer als wir alle. Das Haar trug er über der Stirn geradegeschnitten, wie ein Dorfkantor; er sah klug und sehr verlegen aus. Obwohl er keine breiten Schultern hatte, schien seine grüne Tuchjacke mit den schwarzen Knöpfen ihn an den Ärmelausschnitten zu beengen; aus den Aufschlägen sahen rote Handgelenke hervor, die es gewohnt waren, nackt zu sein. Seine blaubestrumpften Beine kamen aus einer gelblichen, von den Trägern straff hochgezogenen Hose. Seine Schuhe waren derb, schlecht gewichst und mit Nägeln beschl