§ 1 Einleitung
A. Thematische Hinführung und Problemaufriss
Das Wort „Integration“ entspringt dem lateinischen Begriff„integratio“, mittels dessen der Vorgang des „Vollwerdens“, des „Ganzwerdens“ oder der „Erneuerung“ ausgedrückt wird.1
Der vom BVerfG verwendete Begriff der „Integrationsfestigkeit“2 bezeichnet das Gegenteil: Das BVerfG vertritt die Auffassung, die Öffnung des Grundgesetzes zugunsten des europäischen Rechts unterliege Grenzen, die ein „Voll- und Ganzwerden“ der Bundesrepublik mit Europa ausschließen würden.3 Obwohl die vom BVerfG aufgezeigten Grenzen gem. Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG im „Europaartikel“4 selbst angelegt sind, ist diese Rechtsprechung dem teils heftig formulierten Vorwurf ausgesetzt, den „Integrationsauftrag“5 des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG zu verletzen.6
Dass dem „kirchlichen Arbeitsrecht“7 eines Tages eine besondere Rolle im Zusammenhang mit der Frage des Verhältnisses des deutschen (Religions-) Verfassungsrechts und des Primats des Unionsrechts zukommen könnte, wurde in der rechtswissenschaftlichen Literatur im Zusammenhang mit der Einführung der RL 2000/78/EG frühzeitig erkannt.8 Bereits im Jahr 1985 hatte das BVerfG imStern-Urteil entschieden, dass Kündigungsentscheidungen kirchlicher Arbeitgeber aufgrund von Verstößen gegen kirchliche Loyalitätsanforderungen durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV vor einer umfassenden arbeitsgerichtlichen Kontrolle geschützt sind.9 Diesen Grundsatz hat das Gericht 2014 imChefarzt-Urteil gerade in Bezug auf konfessionell differenzierende Loyalitätsanforderungen mit Nachdruck bekräftigt.10 Über 30 Jahre lang wurde das Prinzip der eingeschränkten arbeitsgerichtlichen Überprüfbarkeit von Kündigungsentscheidungen der häufig als „zweitgrößter Arbeitgeber“11 der Bundesrepublik bezeichneten Kirchen von den Institutionen der EU nicht angetastet.
Im Jahr 2018 entschied der EuGH dann gleich zweimal über den Umfang der gerichtlichen Prüfung von Entscheidungen kirchlicher Arbeitgeber. Das eine Mal ging es um die Konfessionszugehörigkeit als Tätigkeitsvoraussetzung im Dienst der evangelischen Diakonie (Egenberger12) und das andere Mal um die Kündigung aufgrund der Eingehung einer nach katholischem Kirchenrecht ungültigen Ehe (IR13). Die Anwendung der europäischen RL 2000/78/EG14 verlangt nach Auffassung d