: Antje Rech
: Gregor Thüsing, Jacob Joussen
: Die Arbeitsgerichtsbarkeit der evangelischen Kirche
: Lambertus Verlag
: 9783784134161
: Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht
: 1
: CHF 35.40
:
: Arbeits-, Sozialrecht
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die evangelische Arbeitsgerichtsbarkeit ist berufen, Rechtsschutz in Fragen des von der evangeli-schen Kirche selbst gesetzten Kollektivarbeitsrechts zu gewähren. Im Rahmen der jüngeren Reformen des evangelischen Prozessrechts lag ein Schwerpunkt auf der Neuordnung der sie betreffenden Vorschriften. Neben diesem innerkirchlichen Veränderungsprozess sieht sich die evangelische Arbeitsgerichtsbarkeit nicht zuletzt durch die sich wandelnde staatliche Rechtsprechung vor allem zur Jurisdiktionsbefugnis zudem auch von außen kommenden Einflüssen ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund untersucht die Arbeit, wie sich das Verhältnis der evangelischen Arbeitsge-richtsbarkeit zum Staat sowohl in rechtshistorischer als auch in verfassungsrechtlicher Perspektive darstellt. Dabei wird in der rechtshistorischen Betrachtung herausgearbeitet, wie sich im Kontext der sich ändernden Beziehungen von evangelischer Kirche und Staat die evangelische Gerichtsbarkeit insgesamt und im Speziellen die evangelische Arbeitsgerichtsbarkeit entwickelt haben. Im Anschluss erfolgt dann eine zweigeteilte Betrachtung der verfassungsrechtlichen Problematik. So wird zunächst die Stellung der evangelischen Arbeitsgerichtsbarkeit im Rahmen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV betrachtet. Abschließend wird das Verhältnis von Staat und evangelischer Arbeitsgerichtsbarkeit speziell in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip untersucht.

Antje Rech, geb. 1974 in Saarlouis, studierte Rechtswissenschaften an der Universität des Saarlandes und absolvierte ihr Referendariat im OLG-Bezirk München. Nach langjähriger Tätigkeit als Repetitorin ist sie nun wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht von Prof. Dr. Jacob Joussen an der Ruhr-Universität-Bochum.

I. Die Gerichtsbarkeit der evangelischen Kirche von der Reformation bis 1952 und ihr Verhältnis zum Staat


Dabei ist der eigentliche Beginn des Aufbaus der evangelischen Arbeitsgerichtsbarkeit in der Zeit ab 1952 zu verorten. Wie bereits angeführt, sind jedoch bis heute auch parallele Problemstellungen in den anderen Zweigen der evangelischen Kirchengerichtsbarkeit zu konstatieren. Nicht zuletzt deswegen müssen die Konzeptionierung und die Wandlungen der evangelischen Arbeitsgerichtsbarkeit, die sie bis zum heutigen Tage durchlaufen hat, im Kontext der Entwicklung der evangelischen Gerichtsbarkeit im Allgemeinen bis zu ihrem Entstehen gesehen werden. Diese wiederum können nicht losgelöst betrachtet werden von den Veränderungen in der Beziehung zwischen evangelischer Kirche und Staat. Die Verbindungen innerhalb dieses komplexen Beziehungsgeflechts sollen in diesem ersten Teil der Arbeit herausgearbeitet werden.

1. Grundlage: Die frühen Ansätze zur evangelischen Kirchengerichtsbarkeit

Grundlegend für alle Zweige der evangelischen Gerichtsbarkeiten ist hierbei die rechtstheologische Vorfrage, welche Haltung die Reformatoren hinsichtlich einer Kirchengerichtsbarkeit insgesamt hatten. Denn als Martin Luther mit seinen Reformbestrebungen Anfang des 16. Jahrhunderts begann, existierte in der katholischen Kirche bereits eine umfassende Gerichtsbarkeit, die den Bischöfen oblag.31 Ihre Zuständigkeit umfasste die Rechtsangelegenheiten der Kleriker, rein geistliche Sachen, zu denen auch das Eherecht gezählt wurde, und Angelegenheiten, die mit rein geistlichen Sachen im Zusammenhang standen.32 Daneben entschieden die Gerichte in teilweise konkurrierender Jurisdiktion mit den weltlichen Gerichten über bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten, sofern sie nur in irgendeiner Beziehung zu Religion und Kultus standen.33

a) Die Haltung der Reformatoren gegenüber der kirchlichen Gerichtsbarkeit

Der konkreten Ausübung dieser katholischen Gerichtsbarkeit mit ihrer Ausdehnung der Zuständigkeiten in den weltlichen Bereich in derart weitem Umfang wollten die Reformatoren entgegenwirken. So brachten sie in dem 1530 verfassten Augsburger Bekenntnis ihre missbilligende Haltung gegenüber der bischöflichen Gerichtsbarkeit in der bis dahin bestehenden Form zum Ausdruck.

Ihrer Ansicht nach sollten die geistliche und die weltliche Macht voneinander getrennt sein.34 Insofern sollte nach ihrer Auffassung bei der Gerichtsbarkeit eine Unterscheidung getroffen werden zwischen derjenigen im Bereich der weltlichen Gewalt einerseits und d