: Sophokles
: Elektra Sophokles - altgriechische Literatur in deutscher Übersetzung - 14230
: Reclam Verlag
: 9783159619057
: Reclams Universal-Bibliothek
: 1
: CHF 3.90
:
: Dramatik
: German
: 130
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Iphigenie, Agamemnon, Klytaimnestra, Orestes und Elektra: Mord wird mit Mord gesühnt - es ist eine Spirale der Gewalt. Aber kann Rache gerecht sein? Und kann Gewalt durch Gewalt beendet werden? Diese Fragen schwingen im Hintergrund mit, und sie verliehen diesem Spätwerk des Sophokles eine politische Dimension, denn der Ort der Aufführung, Athen, befand sich Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. mitten im Krieg, ja hatte die Chance auf Frieden soeben vertan. Nicht zuletzt diese Fragen lohnen auch heute eine Beschäftigung mit diesem Drama und dem Mythos rund um die fluchbeladenen Atriden in Mykene. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Sophokles (496/496 v. Chr. in Kolonos - 406 v. Chr. in Athen) gehört neben Aischylos und Euripides zu den bedeutendsten Tragödiendichtern der Antike. Der Sohn eines Fabrikanten schrieb über 120 Stücke - von denen bis heute nur noch sieben vollständig erhalten sind - und ging im Wettstreit der Dramatiker 24 Mal als Sieger hervor. Aristoteles skizziert Sophokles in seiner 'Poetik' als einen Erneuerer des Theaters: Er führte den dritten Schauspieler ein, erweiterte den 12-köpfigen Chor auf 15 und nutzte als Erster gemalte Bühnenkulissen. Sophokles' berühmtes analytisches Drama 'König Ödipus' zeigt den im Dialog vollzogenen Erkenntnisprozess des gleichnamigen thebanischen Königs, der im Wissen über den selbst verübten Vatermord und die Heirat der eigenen Mutter endet. In 'Antigone' stürzt der Konflikt zwischen weltlichem und religiösem Recht die Protagonistin in ein Dilemma, das sie letzten Endes das Leben kostet. Einige heutige Interpreten erkennen in ihrem Widerstand gegen Kreon einen mutigen Akt zivilen Ungehorsams.

1. Epeisodion (251–471)


CH.

 Ich bin, o Kind, im Eifer um dein Wohl

wie um mein eigenes gekommen; ist jedoch mein Wort

nicht richtig, gelte deines; denn wir folgen dir.

EL.

 Wohl schäm ich mich, ihr Frauen, wenn ich euch

mit meinen vielen Klagen gar zu ungestüm erscheine.255

Doch da Gewalt mich nötigt, dies zu tun,

verzeiht! Wie sollt’ denn eine Frau von edler Art,

die Leiden, die ihr Vater litt, vor Augen, anders handeln,

wie ich sie immer Tag und Nacht

weit eher blühen als hinwelken seh.260

Denn erstens ist der Umgang mit der Mutter,

[17]die mich gebar, von schlimmstem Hass geprägt; dann lebe ich

in meinem eignen Haus zusammen mit des Vaters

Mördern, und von ihnen werde ich beherrscht, von ihnen hängt

es ab, ob etwas ich bekomme oder darben muss.265

Und weiter: Was für Tage, meinst du wohl, verbringe ich,

wenn ich Aigisthos sitzen sehe auf dem Thron,

dem väterlichen, sehe ihn die gleichen

Gewänder tragen, die er trug, und an dem Herde

Trankopfer bringen, wo er ihn erschlagen hat,270

und seh – das Äußerste von alledem an Dreistigkeit! –

den Mörder uns im Bett des Vaters

mit der verworfnen Mutter – wenn denn »Mutter«

man die soll nennen, die mit diesem schläft!274

Doch sie, so unverfroren, dass sie mit dem Mordbefleckten

zusammenlebt und keine Rachegöttin scheut,

nein, als ob sie sich lustig machte über das, was sie getan:

Hat sie den Tag ermittelt, an dem damals

sie meinen Vater tückisch hingemordet hat,279

führt sie an diesem Reigentänze auf und schlachtet Schafe

zum Opfer allmonatlich für die Rettergötter.

Doch ich, wenn ich es seh, ich Unglücksel’ge,

wein im Gemach, schwind hin vor Gram, beklag dabei

das Unglücksmahl, das nach dem Vater

den Namen trägt – allein für mich allein! Denn auch zu weinen ist285

mir nicht erlaubt so viel, wie es mein Herz gelüstet.

Sie nämlich, die angeblich edle Frau,

deckt, ihre Stimm’ erhebend, mich mit schlimmer Schmähung ein:

[18]»Du gottverhasste Ausgeburt, ist dir allein der Vater

tot? Gibt es keinen andern Menschen, der in Trauer ist?290

Verrecke elend! Mögen nie vom jetz’gen Wehgeheul

die Götter drunten dich befreien!«

So kränkt sie hemmungslos, allein, wenn sie von jemand hört,

Orestes werde kommen, rasend dann

tritt sie zu mir und schreit: »Bistdu nicht mir an diesem schuld?295

Ist dies nichtdein Werk, die aus meinen Armen

Orestes du geraubt und heimlich weggebracht?

Doch sei gewiss: Du wirst noch büßen, wie du es verdienst!«

So bellt sie, und daneben steht und hetzt

in gleicher Art wie sie ihr löblicher »Gemahl«,300

er, dieser Feigling durch und durch, der Schädling sondergleichen,

der nur mit Weiberhilfe Schlachten schlägt.

Ich aber, immer harrend, dass Orestes kommen wird,

um alledem ein End’ zu setzen, geh zugrund in meiner Pein.

Denn immer s