: Jack London
: Die Scharlachpest und andere Erzählungen
: apebook Verlag
: 9783961304165
: 1
: CHF 2.60
:
: Erzählende Literatur
: German
Die Geschichte spielt im Jahr 2073, sechzig Jahre nachdem eine unkontrollierbare Epidemie, der Rote Tod, den Planeten entvölkert hat. Die Handvoll Überlebender aus allen Gesellschaftsschichten haben ihre eigene Zivilisation und ihre eigene Hierarchie in einer wilden Welt errichtet. Kunst, Wissenschaft und jegliche Bildung sind verloren gegangen, und die jungen Nachkommen der damals Überlebenden wissen nichts von der Welt, die war - nichts als Mythen und Fantasie. James Howard Smith ist einer der letzten Überlebenden aus der Zeit vor dem Ausbruch der Scharlachpest und lebt noch in der Gegend von San Francisco, wo er mit seinen Enkeln Edwin, Hoo-Hoo und Hare-Lip unterwegs ist. Seine Enkel sind jung und leben als urzeitliche Jäger und Sammler in einer dünn besiedelten Welt. Ihr Intellekt ist begrenzt, ebenso wie ihre Sprachkenntnisse. Edwin bittet Smith, den sie 'Granser' nennen, ihnen von der Krankheit zu erzählen, die abwechselnd als Scharlachpest, Scharlachtod oder Roter Tod bezeichnet wird. 'Die Scharlachpest' ist eine postapokalyptische Erzählung von Jack London, die 1912 im London Magazine veröffentlicht wurde. Die Geschichte beschreibt das Leben nach einer verheerenden Seuche, die den größten Teil der Menschheit auslöscht. Neben dieser Titelerzählung finden sich noch vier weitere Erzählungen von Jack London in diesem Buch: 'Der Feind der ganzen Welt', 'Die Lieblinge des Midas', 'Der Schatten und das Funkeln' und 'Der Rote'.

Der Feind der ganzen Welt


Es war Silas Bannerman, der den gelehrten Hexenmeister und Erzfeind der Menschheit, Emil Gluck, zur Strecke brachte. Das Geständnis, das Gluck ablegte, ehe er den elektrischen Stuhl bestieg, warf Licht auf eine Reihe mysteriöser Vorgänge, die, scheinbar zusammenhanglos, in den Jahren 1953 bis 1961 die Welt so in Schrecken versetzten. Erst als dieses denkwürdige Dokument veröffentlicht wurde, erhielt die Welt eine Ahnung davon, daß eine Verbindung zwischen der Ermordung des portugiesischen Königspaares und den Mördern der New Yorker Polizisten bestanden hatte. So abscheulich die Taten Emil Glucks auch waren, können wir uns doch eines gewissen Mitleids mit dem unglücklichen, mißgestalten und mißhandelten Genie nicht erwehren.

Diese Seite der Geschichte ist noch nie erzählt worden, aber das Geständnis und die große Menge von Beweismaterial, Dokumenten und Protokollen aus dieser Zeit ermöglichen es uns, ein leidlich getreues Porträt des Mannes zu entwerfen und die Faktoren und Eindrücke zu beurteilen, die ein menschliches Ungeheuer aus ihm machten und ihn seinen furchtbaren Weg vorwärts und hinab trieben.

Emil Gluck war im Jahre 1915 in Syracuse, New York, geboren. Sein Vater, Josephus Gluck, ein ausgezeichneter Polizeibeamter und Schutzmann, starb plötzlich im Jahre 1920 an Lungenentzündung. Die Mutter, ein hübsches, zartes Geschöpf – sie war vor ihrer Ehe Putzmacherin gewesen –, grämte sich über den Verlust ihres Mannes zu Tode. Diese Empfindsamkeit der Mutter wurde das Erbe des Knaben und sollte in ihm zum Krankhaften und Gräßlichen ausarten.

Im Jahre 1921 kam der damals sechsjährige Knabe zu seiner Tante, Frau Ann Bartell. Sie war die Schwester seiner Mutter, aber in ihrer Brust lebte kein freundliches Gefühl für den sensitiven, furchtsamen Knaben. Ann Bartell war eine eitle, oberflächliche und herzlose Frau. Dazu war sie zur Armut verdammt und mit einem Mann belastet, der ein fauler Herumtreiber und Tunichtgut war. Der kleine Emil Gluck war nicht gern gesehen, und man kann es Ann Bartell schon zutrauen, daß sie ihm diese Tatsache hinreichend unter die Nase rieb. Um die Behandlung zu zeigen, die ihm in dieser frühen, so aufnahmefähigen Periode zuteil wurde, sei folgende Probe gegeben:

Als er etwas über ein Jahr im Bartellschen Hause verbracht hatte, brach er das Bein. Der Unfall geschah beim verbotenen Spielen auf dem Dach – wie alle Knaben es getan haben und bis zum Ende aller Zeiten tun werden. Der Oberschenkel war an zwei Stellen gebrochen. Es gelang Emil, sich mit Hilfe der erschrockenen Spielkameraden auf den Bürgersteig zu schleppen, wo er in Ohnmacht fiel. Die Kinder fürchteten sich vor der bösen Sieben mit den abstoßenden Zügen, die dem Bartellschen Haushalt vorstand. Sie rafften sich jedoch zu dem Entschluß auf, zu schellen und Ann Bartell den Unfall zu berichten. Die Frau sah den Kleinen, der hilflos auf dem Pflaster lag, überhaupt nicht an, schlug die Tür zu und begab sich wieder an ihren Waschzuber. Die Zeit verstrich. Ein feiner Sprühregen setzte ein und durchnäßte den aus seiner Ohnmacht erwachten stöhnenden Emil. Das Bein hätte sofort geschient werden müssen. So griff die Entzündung rasch um sich. Nach Verlauf von zwei Stunden erhoben entrüstete Nachbarinnen Einspruch bei Ann Bartell. Diesmal kam sie heraus und sah sich den Knaben an. Wie er so hilflos zu ihren Füßen lag, stieß sie ihn in die Seite und verleugnete ihn in einem Wutausbruch. Er sei nicht ihr Kind, sagte sie, man solle einen Krankenwagen kommen lassen und ihn zur Unfallstation schaffen. Damit ging sie wieder ins Haus zurück.

Eine Frau, Elizabeth Shepstone, die zufällig vorbeikam, hörte, was geschehen war, und ließ den Knaben auf eine Pritsc