MAGDALENE
In unserer großen Familie bin ich der Nachzügler, das viel zu spät gekommene fünfte Kind. Wenn man drei große Schwestern hat, eine Mutter und noch dazu eine Ersatzmutter, Fräulein Hildegard, wächst man ganz schön umsorgt auf.
Magdalene, meine größte Schwester, war 14 Jahre älter als ich. Für sie war ich der perfekte Ersatz für Barbie und Ken, der kleine Dietmar konnte herhalten als Babypuppe in echt. Dass „Makka“, wie wir meine Schwester nannten, viel Zeit mit mir verbrachte, belegen auch die zahlreichen Bilder, die „Onkel Heinz Basikow“ mit seiner Kamera von uns beiden schoss. Er war Ortschronist und wohnte in der Nachbarschaft.
Als ich im Grundschulalter war, machte Magdalene gerade ihre Ausbildung zur MTA – zur medizinisch-technischen Assistentin. Dabei hatte sie unter anderem Anatomieunterricht. Als sie sich auf einen Anatomietest vorbereiten musste, stellte sie mich kurzerhand nur mit Badehose bekleidet mitten auf den Küchentisch. Meine anderen beiden Schwestern schauten interessiert zu, als Makka mit ihren Fingern feststellte, wo was war – sie ertastete Halswirbelsäule, Schlüsselbein, Speiche und Elle und spielte auf meinen herausstehenden Rippen sprichwörtlich Klavier.
Sowieso – ihre Hände sind mir in unglaublich lebhafter Erinnerung geblieben. Makka hatte diese ganz besondere Art, mit ihren Fingern herumzuspielen, bog sie nach hinten und drehte sie, wedelte mit einer gewissen Tüdelü-Art mit ihnen herum, spielte an ihren Ringen, die nicht selten in den unpassendsten Momenten in hohem Bogen durch den Raum flogen und die sie dann, peinlich berührt und mit hektischen Bewegungen, wieder einsammelte. Die Berührung ihrer Hände genoss ich sehr – wenn mir im Gottesdienst langweilig wurde un