: Greg Neri
: Tru& Nelle. Eine Weihnachtsgeschichte Inspiriert durch die Freundschaft von Truman Capote und Nelle Harper Lee
: Verlag Freies Geistesleben
: 9783772546228
: 1
: CHF 21.40
:
: Kinderbücher bis 11 Jahre
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Tru hatte die Hoffnung, dass das Leben mit seiner Mutter in New York City endlich perfekt und aufregend würde. Doch es kommt alles ganz anders ... Tru ist nicht nur traurig, er ist geradezu unglücklich und beschließt, zurück nach Monroeville zu fliehen, zurück zu Nelle, der einzigen Freundin, die er je hatte. Aber auch dort läuft anfangs einiges schief. Überall, wo er hinkommt, scheinen schlimme Dinge zu passieren. Die einzige Erklärung ist für ihn: Er muss verflucht sein. Doch nun steht Weihnachten vor der Tür, und Tru wünscht sich nichts sehnlicher, als glücklich zu sein. Aber dafür braucht es ein Wunder, damit dieser Wunsch in Erfüllung geht. Glücklicherweise ist Weihnachten ja bekanntlich das 'Fest der Wunder' ... Tru und Nelle basiert auf der wahren Freundschaft von Truman Capote und Nelle Harper Lee und auf realen Begebenheiten - von zärtlichen persönlichen Momenten bis hin zur schrecklichen Wahrheit des Lebens in den USA in Zeiten der Rassentrennung. Auch heute noch hochaktuell!

Greg Neri ist für seine Kinderbücher 'Yummy', 'Chess Rumble', 'Ghetto Cowboy' und 'Hello, I'm Johnny Cash' bereits mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet worden. Davor war er Filmemacher, Animator und Illustrator. Er lebt mit seiner Frau und Tochter an der Golfküste Floridas. Im Verlag Freies Geistesleben erschien sein großartiges Kinderbuch 'Tru& Nelle. Eine Geschichte über die Freundschaft von Truman Capote und Nelle Harper Lee', das u. a. von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur als 'Buch des Monats' ausgezeichnet wurde.

2
Die Entscheidung


Das Gericht von Monroe County war nicht nur das größte Bauwerk in Monroeville, sondern von allen Gebäuden rund um den Marktplatz auch das beeindruckendste und einschüchterndste. Wie ein Wachturm überragte es die gesamte Innenstadt. Die alte Uhr, die immer fünf Minuten nachging, bestimmte die Uhrzeit aller, sodass das Leben in der ganzen Stadt ebenfalls fünf Minuten nachging. Nicht, dass das eine große Rolle spielte. In den Südstaaten war sowieso nie jemand in Eile – außer wenn es gar nicht anders ging.

Nelle und Big Boy saßen oben im Zuschauerrang auf den Plätzen, die normalerweise für Farbige* vorgesehen waren. Big Boy hatte Queenie mitgebracht, Trumans Terrier, den Jenny rausgeschmissen hatte. Big Boy dachte, Queenie sei eine schöne Überraschung für Truman an diesem sicherlich sehr merkwürdigen Tag.

Niemand behelligte sie wegen Queenie, weil farbige Menschen und Hunde generell wie ein und dasselbe behandelt wurden: Sie wurden geduldet, solange sie ihren Platz kannten. Nelle bevorzugte den Zuschauerrang für Farbige, weil da niemand groß auf sie achtete. Die anderen Leute dort wussten, Nelles Vater war ein anständiger Mann, also war auch die Tochter okay. Das Einzige, das Nelle nicht gefiel, war, wie die Menschen immer gleich beiseitetraten, um ihr den Weg freizumachen. So verhielten sich Schwarze gegenüber jedem Weißen. Egal, ob Kind oder Erwachsener.

Eine Gerichtsverhandlung lockte selten viele Zuschauer an. Die meisten fanden, Rechtsangelegenheiten waren langweiliges Zeug. Nelle hingegen hielt sie für faszinierende Einblicke in das Leben anderer Menschen. Doch heute verhielt es sich anders.

Denn trotz aller Bemühungen der Familie, kein großes Aufheben um die Dinge zu machen, hatte sich zu diesem Ereignis die ganze Stadt versammelt. Arch hatte viel Zeit darauf verwendet, Gerüchte über Ninas schillerndes Leben in New York zu verbreiten und schmutzige Details ihrer Vergangenheit mit Männern. Hätte Joe sie nicht zurückgehalten, hätte sie Arch mitten im Gerichtssaal eine runtergehauen, und das hätte Arch sehr gefallen.

«Steig niemals mit jemand in einen Boxring, der nichts zu verlieren hat», meinte Arch, als er Nina in den Gerichtssaal kommen sah. Könnten Blicke töten, hätten Ninas Augen tödliche Strahlen in Archs Gehirn geschickt.

Die Zuschauermenge war unruhig und konnte es nicht abwarten, dass die Verhandlung begann. Die Stimmung erinnerte Nelle an den Schlangenkampf, den sie mal mit Truman beobachtet hatte – die eine tödliche Giftschlange bäumte sich zischend vor der anderen auf. Beide waren böse, und obwohl Weihnachten kurz bevorstand, verlangten die Zuschauer einen Kampf bis zum bitteren Ende.

Und als Höhepunkt die Siegprämie: Truman.

Jenny hatte die Situation äußerlich unter Kontrolle und hielt auf dem gesamten Weg zu ihrem Platz im Saal Trumans Hand. Sie warf beiden Elternteilen einen vernichtenden Blick zu, auch wenn ihr insgeheim die Vorstellung gefiel, dass Truman für immer nach Monroeville zurückkehrte.

Aus irgendeinem Grund hatte sie Truman heute in einen babyblauen Anzug mit farblich passendem Hut und entsprechender Fliege gesteckt. Er sah aus wie ein kleiner Prinz. Er setzte sich in die Mitte der ersten Reihe, womit er versuchte, nicht eine Seite zu bevorzugen. Jeder im Saal starrte dieses kuriose Vögelchen a