1. KAPITEL
„Komm schon, Luke. Komm, mein Kleiner. Halt durch.“
Die Scheibenwischer schoben den Schnee und die Graupel beiseite, als Caidy Bowman an diesem stürmischen Dezembernachmittag durch die Straßen von Pine Gulch, Idaho, fuhr. Es hatte nur ein paar Zentimeter Neuschnee gegeben, aber die Straßen waren spiegelglatt.
Für einen Moment nahm sie eine Hand vom Lenkrad ihres Pick-ups und streichelte das wimmernde Fellbündel neben sich auf dem Beifahrersitz. „Wir sind fast da. Alles wird gut. Halt noch ein paar Minuten durch.“
Der junge Border Collie blickte sie mit einem Vertrauen in den schwarzen Augen an, das sie nicht verdiente. Ein bohrendes Schuldgefühl erfüllte sie.
Sie hätte besser aufpassen müssen. Luke war ein neugieriger kleiner Hund und gehorchte noch nicht besonders gut, wenn er auf der Ranch etwas Neues erkunden wollte. Caidy arbeitete mit ihm daran und hatte in den letzten Wochen gute Fortschritte mit ihm gemacht, aber heute war die Katastrophe passiert. Sie hätte Luke vom Gehege des Bullen fernhalten müssen. Der alte Festus war unberechenbar und übellaunig und nahm es gar nicht gut auf, wenn neugierige junge Border Collies in seiner Nähe herumschnüffelten.
Von Lukes Gebell und dem wütenden Schnauben des Bullen alarmiert, war sie zu dem Pferch des alten Festus gerannt und hatte gerade noch hilflos ansehen müssen, wie Luke durch die Luft flog, auf dem vereisten Boden landete und der Bulle auf ihn lostrampelte. Es hatte ein fürchterliches Krachen von Knochen gegeben.
Caidy klammerte die Hände um das Lenkrad und fluchte leise, als die letzte Ampel vor der Praxis des Tierarztes von Grün auf Gelb sprang. Fast hätte sie noch einmal Gas gegeben, aber sie war noch zu weit weg, um einfach durchzufahren.
Endlich erreichte sie das kleine quadratische Gebäude, in dem sich die einzige Tierarztpraxis von Pine Gulch befand. Sie fuhr direkt an den normalerweise verschlossenen Seiteneingang, hinter dem gleich die Behandlungsräume lagen.
Der Hund winselte leise. Caidy biss sich auf die Lippen, und ihr Magen krampfte sich zusammen. Luke durfte einfach nicht sterben!
Ohne auf die Graupelschauer und den eisigen Wind zu achten, sprang sie aus dem Wagen und lief um das Haus zum Haupteingang.
Wärme flutete ihr entgegen, als sie die Tür öffnete, zugleich mit dem vertrauten Geruch nach Tieren und Desinfektionsmittel, in den sich ein ungewohnter Hauch frischer Farbe mischte.
„Hi, Caidy.“ Eine Frau in einem grünen Kittel kam ihr an der Tür entgegen. „Das ging ja schnell, den ganzen Weg von River Bow hierher.“
„Hallo, Joni. Ich habe mich nicht ganz an die Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten, aber es ist ein echter Notfall.“
„Ben erwartet dich schon. Nach deinem Anruf habe ich ihm gleich Bescheid gegeben. Ich sage ihm, dass du da bist.“
Caidy wartete, und die Sekunden zogen sich endlos hin. Der neue Tierarzt war erst seit ein paar Wochen da, aber er hatte in der kurzen Zeit schon einiges in der Praxis verändert.
Caidy hatte die Einrichtung seines Vorgängers Doc Harris lieber gemocht. Der gesamte Eingangsbereich sah nun anders aus. Die fröhlich