Das
flammende
Ungeheuer
Im Police-Office stank es nach Rauch und Schweiß. Der klapprige, lautstark vor sich hinlärmende Ventilator vermochte es nicht, für eine einigermaßen zufriedenstellende Zirkulation zu sorgen. Unter der Decke des niedrigen Raumes trieb eine im gelben Kunstlicht deutlich sichtbare Dunstschicht hin und her. Sie bildete Schlieren mit bizarren Mustern, die gar nicht zu der nüchternen und sachlichen Atmosphäre passen wollten. Drei Männer in Uniform saßen hinter ihren Schreibtischen und bearbeiteten Formulare. Das wütende und unregelmäßige Klacken der Tasten und das hastig folgende Schlagen der Hämmer zeigte an, dass alle drei keine ausgeprägte Übung im Umgang mit Schreibmaschinen besaßen. Aus zusammengekniffenen Augen musterten sie das Papier, und einer wandte leicht den Kopf, als die Tür ging.
»Mac, lassen Sie die Tür offen, damit der Qualm abzieht«, brummte der Officer und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Irgendwo im Hintergrund tickte der Fernschreiber, aber keiner achtete darauf. Die Papierbahn reichte bis zum Boden hinab und schob sich über das lackierte Holz zwischen den Schreibtischen hindurch. In der Art einer Schlange durchquerte die Bahn das Office und fand schließlich an einem überquellenden Papierkorb Widerstand.
Irvin McMoughin schob die Tür vollständig auf und kam mit langen Schritten herein. Er duckte sich ein wenig unter der Dunstschicht und schüttelte den Kopf. Immer war es dasselbe. Die Beamten schienen nicht zu begreifen, dass sie sich mit der ewigen Raucherei einen lebensgefährlichen Arbeitsplatz schufen.
»Eines Tages frisst euch der Qualm auf«, sagte der Mann in Zivil und sah die drei Uniformierten der Reihe nach an. Parkins und Goodwin drüben an der Wand reagierten nicht und führten weiter ihren endlosen Kampf mit den Maschinen und Formularen. »Gibt es was Neues?«
»Reißen Sie es sich selbst ab«, antwortete Grimes, der ihn zuvor bereits angesprochen hatte. »Nehmen Sie sich vom Boden, was Sie brauchen.«
McMoughin nickte und schritt in den hinteren Teil des Raumes zum Fernschreiber. Er riss das Endlospapier ab und raffte die Bahn zusammen. Auf der Kante eines Tisches sitzend, ging er die Meldungen durch. Leise begann er sie der Reihe nach vorzulesen. Die drei Männer an ihren Schreibtischen hörten mit halbem Ohr zu.
»Nichts und wieder nichts«, erklärte er dann und legte den Stapel neben sich auf den Tisch. »Zwei verschwundene Katzen, ein Blechschaden mit Fahrerflucht und eine Reihe politischer Glaubensbekenntnisse unserer Regionalpolitiker. Ein richtiges Sommerloch, wenn ihr mich fragt. Wieso bin ich nicht auf den Kanarischen Inseln oder auf Mallorca? Tunesien wäre auch nicht schlecht. Die Nähe zu Gaddafi stört mich nicht besonders.«
»Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps.« Grimes grinste und nahm endlich die beiden Zeigefinger von der Maschine. »Dort drüben liegen die Notizen der Tagesmeldungen aus unserem Distrikt. Vielleicht finden Sie da etwas!«
»Danke, Jeffrey! Wie steht es mit Whiskey? Habt ihr noch eine Flasche da?«
»Einen Rest«, erklärte Parkins und Goodwin ergänzte: »Sie dürfen beim nächsten Mal gern wieder eine mitbringen.«
Über das Gesicht McMoughins glitt ein verständnisvolles Grinsen.
Eine Hand wäscht die andere, dachte er. Er wusste es zu schätzen, dass er als einziger Mitarbeiter der örtlichen und regionalen Presse freien Zugang zum Office hatte. Dieses Vertrauensverhältnis hatte er sich in vielen Jahren erarbeiten müssen, es war ihm nicht einfach in den Schoß gefallen. Viel Fingerspitzengefühl gehörte dazu, gerade in seiner Position. Er saß zwischen zwei Stühlen, und der eine gehörte Ryker, seinem Chef bei den Glasgow News. Auf dem zweiten drängelten sich die Beamten des Distrikt-Office, die in drei Schichten arbeiteten.
Irvin McMoughin hörte immerfort Rykers Stimme im Ohr.
»Hören Sie, Mac, Sie sind hier der Fachmann für Klatsch und Sensationen. Sie haben vier Seiten zur Verfügung. Das sind vier mal vier Spalten jedes Wochenende. Ich will, dass die randvoll sind mit interessanten Neuigkeiten. Der Leser muss in der letzten Zeile den Eindruck haben, dass die Blätter überquellen und dass es nur die Hälfte dessen ist, was wir bringen könnten. Also klemmen Sie gefälligst Ihren Hintern zusammen und machen Sie sich an die Arbeit.«
Diese oder ähnliche Worte hörte McMoughin fast bei jeder Redaktionsbesprechung, und für gewöhnlich stellte es kein Problem dar, genug Material zu sammeln. Jetzt aber war Hochsommer und damit Urlaubszeit angesagt, und das Sommerloch dauerte im Normalfall bis zu zwei Monaten.
Der Reporter ging zur rechten Seite des Büros hinüber, wo die handschriftlichen Notizen der Beamten lagen. Er blätterte sie durch und schüttelte immer wieder enttäuscht den Kopf. Ein herabgefallener Blumentopf war zum Zankapfel zwischen zwei Nachbarn geworden. Irgendwo im Südteil der Stadt hatte jemand einen Lattenzaun abmontiert, der ihm nicht gehörte. In der Innenstadt hatte man zwei Ladendiebe erwischt, und drunten am River Clyde war aus unerfindlichen Gründen eines der kleineren Fischerboote leckgeschlagen.
»Hört euch das an«, lachte McMoughin. »Bei Bauer Cloughley sind zweihundert Hühner gestohlen worden. Was sagt man dazu? Eine Hühnermafia? Oder eine Kompanie Füchse?«
Die drei Officer lachten schallend.
»Der Bauer ist für seine schrulligen Ansichten bekannt und hat den beiden Constablern von der Streife genau das Gleiche erzählt, als sie den Diebstahl aufnahmen«, sagte Grimes. »Es gab keine Reifenspuren, obwohl der Boden nach dem Gewitter der letzten Nacht ziemlich aufgeweicht ist. Jemand hat das Gehege zerstört mitsamt dem Hühnerstall und das Federvieh einfach mitgenommen. Ein paar Federn sind gefunden worden, mehr nicht. Die Täter müssen sich in Richtung Wald entfernt haben.«
Irvin McMoughin wäre ein untauglicher Reporter gewesen, wenn er hier nicht plötzlich eine Sensation gewittert hätte.
»Es gibt nicht viele Möglichkeiten. Größere Raubtiere wie Bären oder Tiger führen wir in Schottlands Wäldern nicht. Es ist ebenso unglaubhaft, dass sich ein paar Dutzend Penner zusammengerottet haben, um den Hühnerstall zu überfallen. Oder kommen gar auf zweihundert Hühner zweihundert Lumpenbrüder? So viele haben wir in Glasgow gar nicht. Zudem verfügte dann jeder nur über ein Huhn, was unter dem Gesichtspunkt der Vorratshaltung völlig uneffektiv wäre.«
Wieder lachten die drei. Wie immer, wenn McMoughin bei ihnen reinschaute, kamen sie auf ihre Kosten.
»Falls Sie zu ihm rausfahren, Mac, der Bauer hat immer einen so dicken Bauch, wie er ihn jetzt spazieren führt«, prustete Grimes. »Er kann die Hühner nicht selbst verspeist haben. Unsere Männer hätten das zur Not auch noch untersucht.«
»Andererseits können zweihundert Hühner nicht einfach so verschwinden. Wenn ihr Federn gefunden habt, dann solltet ihr weitersuchen.«
»Zwecklos. Im Wald hört die Spur auf.«
Irvin M