Prof. Dr. Christian Walter
Ende März 2019 hat das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in der RechtssacheEgenberger eingelegt.1 Der Fall betrifft die Frage der konfessionellen Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in kirchlichen Einrichtungen. Zusammen mit der sog.Chefarzt-Entscheidung,2 bei der über die Kündigung eines in einem katholischen Krankenhaus beschäftigten Chefarztes wegen dessen Wiederheirat nach einer Scheidung gestritten wird, liefert der FallEgenberger den Stoff für grundsätzliche Auseinandersetzungen auf zwei sehr unterschiedlichen Ebenen. Zum einen geht es um die Ausgestaltung des kirchlichen Individualarbeitsrechts. Welche besonderen Anforderungen darf ein kirchlicher Arbeitgeber legitimerweise wegen seines religiösen Selbstverständisses an seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellen? Angesichts der großen Zahl von Beschäftigten im kirchlichen Bereich ist diese Frage von ganz erheblicher praktischer Bedeutung. Sie steht deshalb zu Recht im Mittelpunkt der heutigen Tagung. Daneben gibt es aber die zweite Ebene des anwendbaren Rechts. Das kirchliche Arbeitsrecht steht an einer in vielerlei Hinsicht sensiblen Schnittstelle: Es geht um Umfang und Grenzen des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften und damit um verfassungsrechtliche Garantien des Grundgesetzes. Es geht um Grund- und Menschenrechte der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und um die korporative Religionsfreiheit der Kirchen und damit neben dem Verfassungsrecht auch um internationale Menschenrechtsgarantien, namentlich der Europäischen Menschenrechtskonvention.