: Isabel Bogdan
: Mein Helgoland
: mareverlag
: 9783866488007
: 1
: CHF 12.20
:
: Deutschland
: German
: 112
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit Helgoland verbindet Isabel Bogdan eine innige Schreibbeziehung. Oft schon ist sie in Hamburg auf den Katamaran gestiegen, der sie zu 'Deutschlands einziger Hochseeinsel' bringt. Denn dort, mit Rundumblick aufs Meer, schreibt es sich viel besser als am heimischen Schreibtisch (wo sie dafür problemlos übersetzen kann). Doch warum ist das so? Nähert man sich einer Geschichte auf dieselbe Weise, wie man eine Insel für sich entdeckt? Auf welcher Seite der Insel beginnt man - und wie findet man in einen Roman? Isabel Bogdan erzählt nicht nur von den Besonderheiten kleiner Inselgemeinden, von Helgolands wechselvoller Historie, von seltenen Vögeln oder Geheimrezepten gegen Seekrankheit. Vielmehr spannt sie den Bogen vom Schaffen des berühmtesten Helgoländer Geschichtenerzählers James Krüss zu der Frage, was gutes Erzählen eigentlich ausmacht und ob man es erlernen kann.

Isabel Bogdan, geboren 1968 in Köln, studierte Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokio. Heute lebt sie in Hamburg und übersetzt u.a. Jane Gardam, Nick Hornby und Jonathan Safran Foer. Seit zwölf Jahren fährt sie immer wieder nach Helgoland. 2016 erschien ihr Debütroman 'Der Pfau', 2019 folgte der Roman 'Laufen'. Sie wurde u.a. mit dem Hamburger Förderpreis für Literatur und dem für literarische Übersetzung ausgezeichnet.

Der Hotelier sagt, das ist kein Wind. Ich versuche, die Basstölpel zu fotografieren, aber der Wind, der keiner ist, schlägt mir immer wieder die Kamerahand weg. Ich habe meine Kapuze festgezurrt und lehne mich bei jedem Schritt nach vorn, um überhaupt voranzukommen.

Der Hotelier aber sagt, das ist kein Wind. Er erzählt, dass sie sich früher, als Kinder, wenn richtig Wind war, hier oben im Oberland am Zaun festgehalten haben und dann waagerecht in der Luft geflattert sind. Überhaupt ist der Hotelier ein großer Geschichtenerzähler, was vielleicht kein Wunder ist: Er ist ein Neffe von James Krüss, dem größten Geschichtenerzähler der Insel und vermutlich überhaupt bekanntesten Helgoländer.

Was mich fast von den Klippen pustet, was mich voranschiebt oder mir den Weg versperrt und mir den Atem raubt, ist kein Wind. Man meint ja auch immer, die Sonne sei gar keine Sonne, wenn dazu ein frischer Wind weht, aber hinterher hat man dann doch Sonnenbrand und so ein Sausen in den Ohren.

Auf Helgoland kann man immer und von überall aus das Meer sehen. Im Oberland sogar fast rundum, in alle Richtungen, man steht hoch oben und blickt in dieses unendliche Blau, oder vielmehr diese unendlichen Blaus. Hellblau, Dunkelblau, Mittelblau, Knallblau, Königsblau, Azurblau, Babyblau, Glitzerblau, Himmelblau, Eisblau, Grünblau, Graublau, Fastschwarz, Fastweiß, Marineblau, Blaublau, Türkis, Petrol … man findet schon bald keine neuen Vokabeln mehr. Dazu pustet der Wind einem sofort alles aus dem Kopf, was da nicht drin sein soll, alles, was einem nicht guttut, schlechte Laune, schlechte Gedanken oder Erkältungen. Stattdessen macht sich sofort eine große Ruhe breit und ein großes Glück. Da oben passiert es mir regelmäßig, dass ich einfach lachen muss, nur weil Wind und Blau ist. Lachen, weil der Wind so toll ist und das Blau so blau und alles andere weit weg.

Und dann kommt man an den Vogelfelsen, und aus dem Lachen wird Staunen. Der Helgoländer Lummenfe