: Angie Sage
: Septimus Heap - Physic
: Carl Hanser Verlag München
: 9783446242104
: Septimus Heap
: 1
: CHF 8.80
:
: Kinderbücher bis 11 Jahre
: German
: 480
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Septimus Heap und seine Freunde sind erneut in Gefahr! Der Geist von Jennas Ur-Ahnin Etheldredda treibt sein Unwesen, und Septimus wird unfreiwillig auf eine Reise in die Vergangenheit geschickt. Beim undurchsichtigen Marcellus Pye erlernt er die alten Künste der Alchemie und Physik: Gegengifte und Heiltränke herzustellen und sogar nach einem Mittel für das ewige Leben zu forschen. Ob er jemals wieder in sein altes Leben zurückkehren kann? Die Türen der Zeit sind verschlossen, und Marcellus Pye trägt den Schlüssel um den Hals ... Das dritte phantastische Abenteuer um den ungewöhnlichen Helden!

Angie Sage, 1952 in London geboren, lebt als Autorin und Illustratorin in Cornwall. Sie studierte Grafikdesign an der Art School of Leicester. Mit ihrer großen Fantasy-Saga Septimus Heap erlangte sie Weltruhm. Die Reihe wurde in 16 Sprachen übersetzt, stand monatelang auf Platz 1 der New York Times-Bestsellerliste und wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Bei Hanser erschien 2005 der erste Septimus Heap-Band Magyk, gefolgt von Flyte (2006), Physic (2007), Queste (2008), Syren (2010), Darke (2011) und Fyre (2013). Die Erweiterung Septimus Heap: Darke Toad - Die Dunkelkröte (2013) ist nur als E-Book erhältlich. 2017 folgte die neue Trilogie der Erfolgsautorin mit den Bänden TodHunter Moon - FährtenFinder, TodHunter Moon - SandReiter sowie TodHunter Moon - SternenJäger.

*1 *
SNORRI SNORRELSSEN


 

 

Snorri Snorrelssen steuerte ihr Handelsboot– das nach ihrer Mutter, der es gehörte,Alfrun hieß– das ruhige Wasser des Flusses hinauf in Richtung Burg. Es war ein diesiger Herbstnachmittag, und Snorri war froh, dass sie die aufgewühlten Tidengewässer vor der Stadt Port hinter sich hatte. Der Wind war abgeflaut, blähte das große Segel des Bootes aber noch genug, sodass sie sicher um den Rabenstein herumsteuern und die Anlegestelle direkt hinter Sally Mullins Tee- und Bierstube anlaufen konnte.

Zwei junge Fischer, nicht vielälter als Snorri selbst, waren soeben von einem erfolgreichen Heringfang zurückgekehrt und fingen nur zu gern die schweren Hanftaue auf, die Snorri an Land warf. Darauf erpicht zu zeigen, was sie konnten, wickelten sie die Taue um zwei dicke Poller am Kai und machten dieAlfrun fest. Und sie gaben Snorri allerlei ungebetene Ratschläge. Wie sie das Segel einholen oder wie sie die Leinen aufschießen sollte. Aber Snorri beachtete sie nicht, teils weil sie kaum verstand, was sie sagten, hauptsächlich aber weil sich Snorri Snorrelssen von niemandem sagen ließ, was sie zu tun hatte– vonniemandem, nicht einmal von ihrer Mutter. Von ihrer Mutter schon gar nicht.

Snorri war groß für ihr Alter, schlank, drahtig und erstaunlich kräftig. Mit derÜbung und Fertigkeit von jemandem, der zwei Wochen lang alleinübers Meer gesegelt war, holte sie das große Segel nieder und rollte das schwere Tuch zusammen, dann legte sie die Leinen zu sauberen Ringenübereinander und zurrte die Ruderpinne fest. Da sie sich bewusst war, dass die Fischer sie beobachten, verschloss sie die Luke zum Laderaum, der gefüllt war mit schweren Ballen dickem Wollstoff, Säcken voller Einmachgewürze, großen Fässern Pökelfisch und einem Paar besonders schöner Rentierlederstiefel. Schließlich schob sie, wieder ohne die angebotene Hilfe anzunehmen, die Laufplanke ans Ufer und balancierte an Land. Ullr, ihre kleine rote Katze mit schwarzer Schwanzspitze, blieb an Bord zurück. Sie sollteübers Deck streifen und Ratten fernhalten.

Nachüber zwei Wochen auf See hatte sich Snorri darauf gefreut, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Doch als sie nunüber den Kai schritt, hatte sie das Gefühl, sie sei noch auf derAlfrun, denn der Boden schien unter ihr zu schwanken, wie es das alte Boot getan hatte. Die Fischer, die eigentlich längst zu Hause bei Muttern sein sollten, hockten auf einem Haufen leerer Hummerreusen.»N’ Abend, Miss«, grüßte einer laut.

Snorri würdigte ihn keines Blickes. Sie ging bis zum Ende des Kais und bog dann in einen ausgetretenen Pfad ab. Der Pfad führte zu einer nagelneuen großen Schwimmbrücke, auf der ein Café thronte. Es war ein sehr elegantes zweistöckiges Holzhaus mit langen, niedrigen Fenstern, die auf den Fluss hinausgingen. Mit dem warmen gelben Licht, dass von der Decke baumelndeÖllampen verströmten, sah das Café in der kühlen Luft dieses frühen Abends einladend aus. Als Snorri den Holzstegüberquerte, der zu dem Ponton führte, konnte sie es kaum fassen, dass sie endlich hier war– in Sally Mullins berühmter Tee- und Bierstube. Freudig erregt, aber auch sehr nervös, stieß sie die Flügeltür zum Café auf und stolperte beinaheüber eine lange Reihe von Löscheimern, die mit Sand oder Wasser gefüllt waren.

Sally Mullins Café war stets vom Gemurmel angeregter Unterhaltungen erfüllt, doch in dem Augenblick, als Snorriüber die Schwelle trat, verstummte das Stimmengewirr sofort, als hätte jemand mit der Peitsche geknallt. Wie ein Mann setzten die Gäste ihre Gläser ab und glotzten die junge Fremde an, denn sie trug die typische Kleidung der Hanse, der auch die Nordhändler angehörten. Snorri, die spürte, wie sie errötete, und sich maßlos darüberärgerte, ging trotzig weiter zur Theke, fest entschlossen, ein Stück von Sallys Gerstenkuchen und einen Halbliterkrug Springo Spezial Ale zu bestellen, von denen sie schon so viel gehört hatte.

Sally Mullin, eine kleine, rundliche Frau mit Sommersprossen und Gerstenmehl auf den Wangen, kam eilfertig aus der Küche. Doch als sie die dunkelrote Nordhändlertracht und das typische Lederstirnband sah, verfinsterte sich ihre Miene.»Nordhändler werden hier nicht bedient«, knurrte sie.

Snorri blickte verwirrt. Sie war sich nicht sicher, ob sie Sally richtig verstanden hatte, obwohl sie spürte, dass sie hier nicht gerade willkommen war.

»Haben Sie das Schild an der Tür nicht gesehen?«, setzte Sally hinzu, als Snorri keine Anstalten machte zu gehen.»Nordhändler unerwünscht. Sie sind hier nicht willkommen, nicht in meinem Café.«

»Sie ist doch nur ein Mädchen!«, rief ein Gast.»Gib dem Mädchen eine Chance.«

Er erntete zustimmendes Gemurmel von anderen Gästen. Sally Mullin nahm Snorri genauer in Augenschein, und ihre Züge wurden milder. Es stimmte. Sie war nur ein Mädchen– höchstens sechzehn, dachte Sally. Sie hatte weißblonde Haare und klare, fast durchscheinende blaue Augen wie die meisten Händler, aber sie hatte nicht diese abgebrühte Miene, an die Sally mit Schaudern zurückdachte.

»Na ja…«, sagte Sally und lenkte ein.»Wie es aussieht, wird es gleich dunkel, und ich bin kein Unmensch, der ein junges Mädchen allein in die Nacht hinausjagt. Was wünschen Sie, Miss?«

»Ich… ich«, stammelte Snorri, während sie angestrengt versuchte, sich ihre Grammatik ins Gedächtnis zu rufen. Hieß esich hätte gern oderich würde gern?»Ich hätte gern ein Stück von Ihrem ausgezeichneten Gerstenkuchen und einen halben Liter Springo Spezial Ale, bitte.«

»Springo Spezial?«, rief jemand.»Das ist