Irgendwasistimmer
Theo stand gerade in der Warteschlange an der Kassa im Tankstellenshop, als sein Telefon in der Innentasche seiner Jacke läutete. Am personalisierten Klingelton – einer sich harmonisch wiederholenden Abfolge von ZenMeditations-Gongserkannte er, dass es Sandra war. Er wollte den Anruf unbedingt entgegennehmen, schon allein deshalb, weil die Gongs mit jeder Wiederholung lauter wurden und er den anderen Kunden die Lärmbelästigung in dem kleinen Shop ersparen wollte. Das Problem war aber, dass Theo keine Hand frei hatte. Auf seinem seitlich an den Oberkörper gepressten linken Unterarm balancierte er ein Halb-Kilo-Säckchen Karotten, zwei Zitronen und eine Kartonbox mit zehn Freiland-Eiern. Die Finger seiner rechten Hand hielten krampfhaft eine unförmige Plastikpackung mit Weichkäse umklammert. Der Käse wäre ihm nach der Entnahme aus dem Kühlregal beinahe aus der Hand geglitten. Ein Zu-Boden-Fallen konnte er gerade noch durch reaktionsschnelles Nachfassen verhindern.
Im Gegensatz zu Theo sammelten alle anderen Kunden ihre Waren unter Zuhilfenahme von dafür vorgesehenen Plastikkörben ein. Theo war jemand, der seine Kapazitäten häufig überschätzte. „Die paar Sachen ...“, hatte er gedacht, „... dafür trage ich doch kein Körbchen spazieren.“ Die Gongs waren mittlerweile schon so laut, dass sie seinen Brustkorb in nachhaltige Schwingungen versetzten.
Eigentlich war ja sein Plan gewesen, zum großen Diskontmarkt zu fahren. Aber dafür hatte er nicht mehr genügend Sprit im Tank. Genaugenommen wusste er nicht, ob das Benzin noch reichen würde, weil die Tankuhr schon vor einiger Zeit den Geist aufgegeben hatte. Theo schrieb deshalb jedes Mal beim Tanken den Kilometerstand in einen kleinen Block mit kariertem Papier. Na ja, zumindest meistens machte er diese Notiz. Und heute auf dem Weg zum Diskonter konnte er den Block in all dem Durcheinander, das in seinem Auto herrschte, nicht finden. Daher blieb ihm nur eine vage Vermutung, was den Füllstand im Tank betraf.
Ursprünglich wollte Theo das Wageninnere an diesem Abend wieder auf Vordermann bringen, aber dann kam seine Freundin heim und stellte fest, dass sie nicht alles eingekauft hatte für das lange Feiertagswochenende. Sie war zwar nach Dienstschluss noch schnell in den Supermarkt bei ihrem Büro ums Eck eingefallen. Dort war aber um diese Uhrzeit fast nichts mehr zu kriegen. Sandra sagte oft, dass sie eigentlich froh darüber war, dass sie kurz vor dem Zusperren nicht mehr viel Frisches in den Regalen vorfand. Sie hatte früher vis-avis dem Hauptmarkt gewohnt und musste oft mit ansehen, wie zu Geschäftsschluss viele noch durchaus brauchbare Waren direkt in die großen Müllcontainer wanderten. Diese Container, besser gesagt deren zu seltene Entleerungen, waren ihr über Jahre hinweg ein Dorn im Auge gewesen. Der üble Geruch des Mülls war mit ein Grund, warum sie vom Marktplatz weggezogen war.
Wäre Sandra damals nicht übersiedelt, hätten sie sich wahrscheinlich nie kennengelernt.
Ihre erst