: Heike Abidi
: Moon Notes
: Bevor wir alles verlieren
: Moon Notes
: 9783969810071
: 1
: CHF 7.60
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: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Victoria stürzt bei einem Leichtathletikturnier und wird zur Routineuntersuchung ins Krankenhaus gebracht. Dort bekommt sie eine schreckliche Diagnose, mit der sie niemals gerechnet hätte. Ein Gehirntumor. Dieser ist zwar operabel - allerdings mit hohem Risiko. Sie entscheidet sich für den lebensgefährlichen Eingriff. Bis zum OP-Termin bleibt nur eine Woche, um alles zu erledigen, was ihr noch wichtig ist. Mit ihrem besten Freund Theo geht sie auf einen aufregenden Roadtrip und hakt die wichtigen Punkte auf ihrer Bucket List ab. Darauf steht unter anderem: den schönsten Kuss aller Zeiten zu erleben.

Heike Abidi, Jahrgang 1965, studierte Sprachwissenschaften und arbeitet heute als freiberufliche Werbetexterin und Autorin. Sie lebt mit ihrem Mann und Sohn in der Nähe von Kaiserslautern.

Kapitel 1Ein falscher Schritt


»Das ist Victoria Sander, achtzehn Jahre. Zustand nach Sturz bei Sportveranstaltung. Verdacht auf Fraktur des Unterschenkels und Gehirnerschütterung.«

»Okay, wir betten sie um. Auf drei …«

Ganz schön schräg, hier zu liegen und mit anzuhören, wie der Sanitäter und die Ärztin über mich reden, als wäre ich gar nicht da oder könnte sie nicht verstehen.

Hey, ich kann selbst von der Trage auf die Pritsche klettern, will ich rufen, aber außer einem leisen Stöhnen kommt nichts über meine Lippen.

Sie zerren an mir herum, ich lasse es über mich ergehen. Dann liege ich auf einer Pritsche, die auch nicht viel bequemer ist als die Trage aus dem Rettungswagen, aber wenigstens halbwegs nach Krankenhausbett aussieht. Die Kabine ist winzig und trist, nur ein Vorhang trennt sie vom nächsten Notaufnahmebett.

Die Ärztin hat freundliche Augen und kalte Hände. Sie fühlt meinen Puls und leuchtet mir in die Augen.

»Pupillen rund, mittelweit, isokor und lichtreaktiv, Herzschlag leicht erhöht. Sieht schon mal nicht nach einer Gehirnerschütterung aus. Haben Sie Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel?«

»Ähm – nein«, erwidere ich. Ich weiß bloß nicht, was mit mir los ist.

»Wir machen zur Sicherheit ein Blutbild,EKG,EEG, Röntgen.« Ihre Stimme klingt müde. Als hätte sie schon eine24-Stunden-Schicht hinter sich. Dafür ist sie eigentlich ein bisschen zu alt. Machen das sonst nicht nur Anfänger? Aber vielleicht ist es auch der Dienst in der Notaufnahme selbst, der ihr vorzeitig graue Strähnen verpasst hat.

Eine Krankenschwester legt mir eine Blutdruckmanschette an und setzt eine Art Wäscheklammer auf meinen linken Zeigefinger. Nach all den vielen Folgen vonGrey’s Anatomy, die ich gesuchtet habe, weiß ich, dass damit die Sauerstoffsättigung im Blut gemessen wird. Fast so, als wäre ich schwer krank.

Entspannt euch, möchte ich sie beruhigen,ich bin doch bloß über meine eigenen Füße gestolpert! Tut fast gar nicht mehr weh.

Die Blutdruckmanschette pumpt sich auf und quetscht mir fast den Arm ab. Nicht gerade angenehm.

Ich schließe die Augen und atme tief durch. Versuche zu vergessen, dass ich hier in der Notaufnahme des städtischen Krankenhauses liege, obwohl ich jetzt eigentlich auf einem Siegerpodest stehen sollte. Aber es gelingt mir nicht. Statt nach frisch gemähtem Gras, Sportlerschweiß und Grillwürstchen riecht es hier nach Desinfektionsmitteln und Krankheit.

»Achtung, jetzt kommt ein kleiner Pikser.«

Ich lasse die Augen geschlossen. Mir wurde schon oft Blut abgenommen, das macht mir nichts aus – doch zusehen will ich nicht, wie sich das Röhrchen langsam füllt. Ich finde das gruselig.

Dann werde ich verkabelt, von Kopf bis Fuß. Mein Shirt ist bis zum Hals hochgeschoben, ich fühle mich schutzlos und friere. Geräte brummen und piepsen, ein Ausdruck kommt ratternd aus einem kleinen Drucker. Er dokumentiert, dass mein Herz tut, was es am besten kann: Es schläg