02.02.2020. Hein feierte Geburtstag. Zwar nicht auf den Tag genau, aber vor etwas mehr als einer Woche hatte sich das Jahrgedächtnis seines körperlichen Verfalls wiederholt. Auf meiner Wache ist es dann üblich, die Kollegen daran teilhaben zu lassen.
Da es zu üblen Missverständnissen führen kann, wenn man einfach eine Kiste Bier auf den Tisch stellt, hatte Hein sich entschlossen, für die versammelte Mannschaft ein opulentes Frühstück auszugeben. Den Tag hatte er allerdings nicht ohne Bedacht gewählt.
»Ich schmeiß doch keine Perlen vor die Säue!«, lauteten seine Worte, als er in Abhängigkeit des Dienstplans ausschließlich Lieblingskollegen zu Tisch bat.
Und wahrlich – Hein hatte sich nicht lumpen lassen. Rührei à la Marlene Dietrich, Rostbratwürstchen, Lachs mit Orangen-Senf-Soße, Käse, Eichelmastschinken von glücklichen Hohenloher Schweinen, drei Sorten Brot, Joghurt, Fruchtsaft und nicht zuletzt alkoholfreier Champagner zeigten sich seiner würdig. Der Anlass gab schließlich Grund zur dezenten Dekadenz, denn Hein wurde ja nur einmal 55 Jahre alt. Die anwesenden Hungerleider gratulierten mit einem einstudierten und sich wiederholenden: »Huch, ’ne Schnapszahl!«
Die Leitstelle indes nahm leider keine Rücksicht auf Heins persönliche Befindlichkeiten und alarmierte das Kleinlöschfahrzeug, auf dem er und ich heute eingeteilt waren, zu einer Ölspur.
»Das KLF der Westwache zu einer Ölspur in die Reißdorfer Allee. Öllache vor Hausnummer 44«, tönte es wiederholt aus dem Wandlautsprecher.
Hein ließ sich nichts anmerken, als die Kollegen mit vollem Mund zum Abschied winkten, aber natürlich war er enttäuscht. Gern hätte er mit Leo, Lars, Mattias und den anderen gemeinsam diniert, doch so ist das im Blaulichtmilieu – wenn der Bürger ruft, lässt man die Gabel fallen und ist zur Stelle.
»Vielleicht ist ja später noch was vom Schinken übrig«, versuchte ich, Hein aufzumuntern, wohl wissend, dass bei unserer Rückkehr nur noch ein paar verschrumpelte Trauben auf der Käseplatte liegen würden, was mein Lieblingskollege mit einem trockenen »Sei bitte nicht albern!« weissagend kommentierte.
Während der Anfahrt zur besagten Einsatzstelle schwieg Hein. Nach langen Jahren gemeinsamen Dienstes kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass jetzt nicht der Moment für belanglose Konversation war. So nutzte ich die Gelegenheit, um über das Universum der Ölspuren nachzudenken.
Sie sind schmierig. Mache sind kurz, andere lang, manche sind breit, andere schmal, wieder andere überfordern die Feuerwehr mit ihrem Ausmaß, dann braucht es die Straßenmeisterei oder spezialisierte Unternehmen. Wie dem auch sei – keine Ölspur ist gut für die Korallenriffe dieser Welt. Und auch wenn Hein und ich jetzt lieber am Frühstückstisch gesessen hätten, fehlte es uns nicht an professioneller Motivation, um der ausgelaufenen Betriebsstoffe, wie es im Feuerwehrjargon heißt, Herr zu werden.
Im Normalfall werden diese, egal ob Öl oder Benzin, abgestreut, das verunreinigte Bindemittel aufgenommen und geeigneter Entsorgung zugeführt. Falls sich der Verursacher ausmachen lässt, klären die Einsatzkräfte die Kostenübernahme, fertigen einen Einsatzbericht an, und die Sache ist erledigt. Zumeist also nichts Spektakuläres, aber dennoch sinnvoll, denn Öl und Benzin gehören einfach nicht in die Kanalisation. Was viele nicht wissen: Umweltschutz ist seit vielen Jahren ein wichtiger Aufgabenbereich der Feuerwehr.
Nach etwa sechs Minuten Anfahrt bog Hein in die Reißdorfer Allee ein. Wir richteten unsere Augen konzentriert auf die Straße, um die gemeldete Ölspur und deren Ausmaße auszumachen