: Jens Flassbeck
: Die langen Schatten der Sucht (Leben Lernen, Bd. 316) Behandlung komplexer Traumafolgen bei erwachsenen Kindern aus Suchtfamilien
: Klett-Cotta
: 9783608120554
: Leben Lernen
: 1
: CHF 36.20
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 346
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Reden, fühlen, vertrauen - das praxisorientierte Behandlungskonzept   Neu: Betrachtung der diversen Spätfolgen unter dem Gesichtspunkt »Traumatisierung« Kinder, die in Suchtfamilien aufwachsen, sind multiplen Belastungen und Traumata ausgesetzt: Vernachlässigung, Tabuisierung, Parentifizierung, Beschämung, Gewalt. Um in einer so feindlichen Umgebung zu überleben, lernen diese Kinder früh, sich anzupassen und eigene Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse zu verstecken und niemandem zu vertrauen. Als Spätfolge dieses Anpassungsprozesses leiden viele im Erwachsenenalter an diversen psychischen Störungen. Anhand ausführlicher Fallvignetten wird die ganze Bandbreite der typischen Erkrankungen in diesem Buch beleuchtet. Darauf aufbauend folgt eine Darstellung geeigneter Behandlungsmöglichkeiten, die auf einem flexiblen und prozessorientierten verhaltenstherapeutischen Repertoire basieren. Der therapeutische Leitgedanke lautet: »Reden, fühlen, trauen«, um die traumatischen Schemata abzumildern und persönliche Entwicklungsprozesse anzuregen.   Dieses Buch richtet sich an: - PsychotherapeutInnen - SuchttherapeutInnen - SozialarbeiterInnen in Suchteinrichtungen - SuchtberaterInnen

Jens Flassbeck, Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Verhaltenstherapeut, Gesprächspsychotherapeut; freiberuflich in eigener Praxis tätig; Schwerpunkt in der psychotherapeutischen Arbeit mit co-abhängigen Angehörigen von Suchtkranken sowie komplex traumatisierten erwachsenen Kindern aus Suchtfamilien.   Besuchen Sie die Website von Jens Flassbeck (www.co-abhaengig.de). Besuchen Sie die Praxishomepage von Jens Flassbeck (www.flassbeck-therapie.de).

Kapitel 2

Belastungen und Traumata


Die Belastungen und Traumata der Kinder aus Suchtfamilien wurden schon in den 80ern des letzten Jahrhunderts in einer Reihe von Fachbüchern und Ratgebern beschrieben: bei Wegscheider-Cruse und Black im Jahr 1981,Woititz 1983,Schaef 1986 undMellody 1989. In Deutschland wurde durch die Diplom-Pädagogin Ulla Lambrou erstmalig 1990 zum Thema publiziert. Diese Veröffentlichungen sind allesamt durch die Therapeutentätigkeiten der Autorinnen anwendungsorientiert. Die Erkenntnis, dass Angehörige und vor allem Kinder aus Suchtfamilien mitbetroffen sind und selbst Hilfe benötigen, ist allerdings sehr viel älter. Schon die Anonymen Alkoholiker entwickelten für Angehörige von Suchtkranken sowie für Jugendliche aus Suchtfamilien eigene 12-Schritte-Programme und etablierten schon ab Anfang der 1950er Selbsthilfegruppen für erwachsene und ab Ende der 1960er für jugendliche Angehörige (z. B.Al-Anon-Familiengruppen, 1995).

Klein (z. B. 2005a) hat mit seinen umfangreichen Forschungsbeiträgen in Deutschland auf das leidvolle Schicksal der Kinder und ihre multiplen Beeinträchtigungen und Risiken aufmerksam gemacht. Das Fachbuch vonZobel (2006) bietet einen Überblick über den Stand der Forschung. Jedoch steht bei Klein und Zobel die Gefährdung der Kinder, selbst suchtkrank zu werden, im Mittelpunkt der Betrachtungen. Die psychischen Folgeschäden werden von ihnen nur am Rande angesprochen.

Dieses Kapitel basiert auf der genannten Literatur wie auch auf den psychotherapeutischen Erfahrungen in der Arbeit mit Betroffenen. Es ist der Versuch, die Belastungen und Traumata in eine Systematik zu bringen, um Ihnen psychotherapeutische Kategorien der biografischen Anamnese an die Hand zu geben. Dabei wird die systemische Betrachtungsweise vonWegscheider-Cruse (1989) und auchLambrou (2008) aufgegriffen, Sucht als eine Familienkrankheit zu verstehen. Nicht ausschließlich die Sucht, der suchtkranke Elternteil und seine suchtkranken Verhaltensweisen sind als Verursacher für Schädigungen verantwortlich zu machen, vielmehr werden das familiäre Miteinander und die Atmosphäre in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, und die Anteile der co-abhängigen Bezugspersonen werden einbezogen. Die Belastungen und Traumata haben wir in vier Kategorien eingeteilt, die in Tabelle 1 aufgelistet sind. Die Tabelle kann als Anamneseschema genutzt werden, mit dessen Hilfe Sie die biografischen und aktuellen Belastungen und Traumata überblicksmäßig einstufen können.

Tabelle 1: Anamnesebogen Belastungen und Traumata

Belastungen, Traumata

Ausmaß in Kindheit

Aktuelles Ausmaß

1. Stress

Ausfallbedingte Mehrarbeit

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Krankenpflege

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Last der Verantwortung

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Achterbahn der Gefühle

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Krise als Normalität

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

2. Emotionale Vernachlässigung

Mangel an Annahme und Liebe

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Mangel an Responsivität

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Alleingelassenwerden

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Sprachlosigkeit, Tabuisierung

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Wegschauen anderer

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Disharmonie, Loyalitätskonflikt

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

3. Soziale Beeinträchtigungen

Familiäre Isolation

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Mangel an Anregungen

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Mangel an Ermutigung

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Mangel an Orientierung

○ nicht ○ eher ○ sehr

○ nicht ○ eher ○ sehr

Mangel an Auseinandersetzung

○ nicht ○ eher ○ sehr

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