: Giacomo Casanova
: Memoiren: Geschichte meines Lebens. Band 6
: apebook Verlag
: 9783961304097
: 1
: CHF 2.70
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: Romanhafte Biographien
: German
Die 'Memoiren' erzählen die Geschichte des Giacomo Casanova, von ihm selbst verfasst. Wer in diesem autobiografischen Roman eine Menge wolllüstiger Begebenheiten erwartet, wird nicht enttäuscht. Das Buch erzählt unverblümt von den erotischen Eroberungen des kompromisslosen Hedonisten. Nicht umsonst gilt Casanova als größter Verführer aller Zeiten. Sein Ruf eilte ihm voraus und öffnete ihm die Türen und Schöße sämtlicher Damen der feinen Gesellschaft. Selbst Katharina die Große soll seinem Charme erlegen sein. Aber die Geschichte von Casanovas Leben ist noch viel mehr als das. Er war nicht nur angeblicher Liebhaber der russischen Zarin und unzähliger anderer. Er besuchte alle wichtigen europäischen Höfe und Metropolen und begegnete vielen bedeutenden Menschen seiner Zeit. Casanova lernte Päpste kennen, sprach mit Friedrich II. in Sanssouci, traf auf Rousseau und lieferte sich Wortgefechte mit Voltaire. Er verkehrte mit Da Ponte, Crébillon, von Haller, Winckelmann und Mengs. Und selbst mit Mozart soll er Kontakt gehabt haben, als dieser an seinem 'Don Giovanni' arbeitete. In Polen duellierte er sich mit einem Adligen in Konkurrenz um eine Dame. Er war Flüchtling der Bleikammern Venedigs und Geheimagent der Inquisition. Giacomo Casanova war eine sprichwörtliche Legende. Seine unzähligen Abenteuergeschichten nehmen uns mit auf eine unvergleichliche Reise in die Zeit. Die Memoiren Casanovas zählen zur Weltliteratur und wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Das insgesamt etwa 5000 Seiten starke Werk ist trotz seines gewaltigen Umfangs kurzweilig und unterhaltsam, aber vor allem auch kulturhistorisch interessant: Landschaften, Städte und Personen des gesamteuropäischen 18. Jahrhunderts breiten sich vor unseren Augen aus. Und natürlich immer wieder: die Schenkel der Frauen, zwischen denen Casanova Glück und Erfüllung sucht. Begleiten wir den großen Abenteurer und Verführer auf seinen Reisen, und werfen wir einen Blick durch die Schlüssellöcher in die Salons und Boudoirs der feinen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Nirgends sonst finden sich Spannung, Frivolität, Sinnlichkeit und philosophische Überlegungen in solch verdichteter Lebensbeschreibung. 'Das ganze 18. Jahrhundert tummelt sich in seinen Memoiren und lacht, und räsoniert, und hurt, in keinem anderen Buch ist es so lebendig, so deutlich, so zum Riechen, Fühlen, Schmecken nah.' (Hermann Kesten) Dieses ist der sechste Band von insgesamt sechs Bänden. Sein Umfang beträgt ca. 970 Druckseiten.

Erstes Kapitel


Ich sehe die Zarin. – Meine Unterhaltungen mit der großen Herrscherin. – Die Valville. – Ich trenne mich von Zaïra. – Meine Abreise von Petersburg und Ankunft in Warschau. – Die Fürsten Adam Czartoryski und Sulkowski. – Der König von Polen Stanislaus Poniatowski, genannt Stanislaus August der Erste. – Theaterintrigen. – Branicki.

Ich gedachte zu Anfang des Herbstes abzureisen, aber die Herren Panin und Alsuwieff sagten mir fortwährend, ich dürfte nicht gehen, wenn ich nicht sagen könnte, daß ich mit der Kaiserin gesprochen hätte.

»Auch mir würde es leid tun«, antwortete ich ihnen; »da ich aber niemanden gefunden habe, um mich vorzustellen, so bleibt mir nichts anderes übrig, als mich in mein Schicksal zu ergeben.«

Endlich sagte Panin mir eines Tages, ich möchte doch in der Morgenfrühe im Sommergarten spazieren gehen, wo Ihre Kaiserliche Majestät häufig lustwandelte; wenn sie mir scheinbar zufällig begegnete, wäre es sehr wahrscheinlich, daß sie mich anreden würde. Ich sagte ihm, es wäre mir sehr angenehm, wenn ich Ihrer Majestät an einem Tage begegnen könnte, wo er bei ihr wäre. Er bezeichnete mir den Tag, und ich ging hin.

Während ich ganz allein spazieren ging, besah ich mir die Statuen, die am Rande der Allee aufgestellt waren – Statuen aus schlechtem Sandstein und von noch schlechterem Geschmack, die aber durch die auf ihrem Sockel eingemeißelten Namen eine komische Wirkung erzielten. Ein Kopf mit strömenden Tränen sollte Demokrit vorstellen, ein anderer, der den Mund von einem Ohr zum anderen aufriß, trug den Namen Heraklit, ein Greis mit langem Bart hieß Sappho und ein altes Weib mit schlotterndem Busen wurde Avicenna genannt. In demselben Geschmack war alles übrige.

Während ich über die Geschmacksverirrung lächelte, die diesen Unsinn eingegeben hatte, sah ich die Zarin erscheinen. Graf Gregor Orloff ging vor ihr her, und zwei Hofdamen folgten ihr. Graf Panin ging zu ihrer Linken. Ich trat beiseite, um sie vorüber zu lassen, aber sobald sie in Sprechweite war, fragte sie mich lachenden Mundes, ob die Schönheit der Statuen mich nicht sehr interessiert hätte. Ich schloß mich ihr an und antwortete: »Ich denke mir, man hat die Bilder hier aufgestellt, um die Dummköpfe zu foppen, oder um solche, die ein bißchen von Weltgeschichte wissen, zu erheitern.«

Die Kaiserin antwortete mir: »Ich weiß nur soviel, daß man meine gute Tante angeführt hat, die freilich wenig Wert darauf legte, solchen kleinen Scherzen auf den Grund zu gehen, übrigens hoffe ich, daß das, was Sie sonst bei uns gesehen haben. Ihnen nicht ebenso lächerlich vorgekommen ist wie diese Statuen.«

Ich würde einen Verstoß gegen Wahrhaftigkeit und Höflichkeit begangen haben, wenn ich diese Anregung nicht verstanden hätte. Ich antwortete daher: das Lächerliche, das man in Rußland sehe, sei nur der Schatten in dem großartigen Gemälde, das es hier zu bewundern gebe. Hierauf unterhielt ich die große Herrscherin länger als eine Stunde von allem, was ich in Petersburg bemerkenswert gefunden hatte.

Eine Abschweifung führte mich auf den König von Preußen, und ich pries den großen Mann, tadelte jedoch seine unerträgliche Gewohnheit, den Leuten, mit denen er sprach, niemals Zeit zu einer vollständigen Antwort zu lassen. Hierauf fragte Katharina mich mit dem anmutigsten Lächeln nach den Gesprächen, die ich mit dem Herrscher gehabt hätte, und ich schilderte ihr alles in einer Weise, die sie offenbar interessierte. Sodann hatte sie die Güte, mir zu sagen, sie habe mich niemals auf dem »Courtag« gesehen. Der Courtag war ein Instrumental- und Vokalkonzert, das sie jeden Sonntag nach dem Essen in ihrem Palais gab und wozu jedermann Zutritt hatte. Sie ging unter den Anwesenden auf und ab und sprach hier und da ein Wort mit solchen, die sie auszeichnen wollte. Ich sagte ihr, ich sei nur ein einziges Mal dagewesen, da ich das Unglück habe, die Musik nicht zu lieben. Sie wandte sich zu ihrem lieben Panin und sagte lächelnd, sie kenne jemanden, der dasselbe Unglück habe. Wenn der Leser sich der Worte erinnert, die ich die Kaiserin beim Verlassen der Oper hatte sagen hören, so wird er finden, daß ich als verschlagener Höfling sprach. Ich gebe es zu; aber ach, es ist zu schwer, es regierenden Herrschaften gegenüber nicht zu sein, besonders wenn es Herrschaften im Unterrock sind.

Die Zarin unterbrach unsere Unterhaltung, um etwas mit Herrn Betzkoy zu sprechen, der an sie herangetreten war. Da Herr von Panin sich von ihr verabschiedete, so verließ auch ich den Park, ganz bezaubert von der Ehre, die mir zuteil geworden war.

Die Kaiserin war von mittlerer Größe, gut gewachsen und von majestätischer Haltung. Sie besaß die Kun