Interaktive Wertschätzung– Kirche innovationsgerichtet führen
Nicht nur führungstheoretische Forschung, Organisationstheorie und Wirtschaftspsychologie liefern wichtige Anhaltspunkte für kirchliche Führungskultur. Das betriebs- und ingenieurwissenschaftliche Technologiemanagement wartet mit starken Impulsen auf und bietet vorteilhafte,überraschend präzise Werkzeuge, um einen Stil„dienender Führung“ als Vollzugsgestalt kirchlichen Innovationsmanagements zu erschließen.Florian Sobetzko
Beginnen wir in ungewohnter Sprache. Beginnen wir mit dem, was Nachwuchsführungskräfte des Technologie- und Innovationsmanagements (TIM) als Lösungsraumerweiterung lernen, um komplexe Probleme durch eine sogenannte„erweiterte Löserbasis“ bearbeiten zu lassen, die online per„Broadcast Search“ (Offener Aufruf zur Mitarbeit) veröffentlicht und von einer möglicherweise breiten Masse auch unbekannter„Solver“ (Problemlöser) mit Ideen traktiert werden sollen. Wie bitte?
Der Lösungsraum (Gesamtheit möglicher Lösungen) wird erweitert, wo organisationsexterne Experten in Innovationsprozesse integriert werden. Sie liefern möglicherweise völlig neue Ideen, an die intern niemand gedacht hätte. Wenn etwa ein Flugzeugbauer auf der Suche nach schonenden Entfärbungsverfahren für sensible Flugzeugaußenwände nicht nur die eigenen Ingenieure konsultiert, sondern auch Lösungsvorschläge von Restaurateuren kunsthistorisch wertvoller Bilderrahmen studiert. Er verbreitert auf diese Weise seine„Problemlöserbasis“– traditionelle Organisationsgrenzen werden verflüssigt.
KIRCHLICH UNGEWOHNT: GEHEIMES WISSEN HERAUSRÜCKEN
Das ist nicht nur kirchlich ungewohnt, man spricht auch im TIM vom„not-invented-here“-Syndrom. Damit ist gemeint, dass externe Ideen in Unternehmen oft nachrangig behandelt werden:„Nicht bei uns erfunden– lässt sich schlecht integrieren– ist nicht von uns– müssen wir Lizenzgebühren für zahlen– passt hier nicht.“ Führung in innovationsgetriebenen Unternehmen basiert aber auf der Einsicht, dass wichtige Produkt- und Prozessinnovationen von außen kommen können– auch von anonymen Partnern (siehe etwa innocentive.com). Firmen rücken dafür sogar bislang geheimes Wissen heraus und transferieren relevante Werkzeuge in externe Domänen, die sich ihrer Kontrolle entziehen. Damit andere mir kreativ beim Kochen helfen können, brauchen sie Zugang zu meinen Töpfen. Interaktive Wertschöpfung (IW) nennt man das, und es reicht erheblich weiter als das selbständige Ausdrucken von Kontoauszügen am Bankautomaten. Zwei wesentliche Ausprägungen sind zu unterscheiden: Open Innovation und Mass Customization.
NICHT GANZ SO UNGEWOHNT: UNZUFRIEDENE KUNDEN
Open Innovation beschreibt die Vergabe einer Aufgabe an ein undefiniertes, großes Netzwerk von externen Akteuren (vgl.Reichwald/Piller 2009, 51). Typisch hierfür ist etwa ein Ideenwettbewerb. IW verfolgt dabei regelmäßig auch sogenannte Lead-User-Strategien der Kundeninnovation. Hierbei werden vor allem unzufriedene, lösungskreative NutzerInnen identifiziert, weil deren Unzufriedenheit oft Wege freiräumt für neue,überraschende Lösungen. Ein bekanntes Beispiel für eine derartige Kundeninnovation ist die Erfindung des Rollkoffers durch einen schleppfaulen amerikanischen Piloten in den 1980er Jahren.
Weniger auf das externe Lösungs- als vielmehr auf das Bedürfniswissen richtet sich IW alsMass Customization (kundenindividuelle Massenfertigung). Traditionell bewegt sich unternehmerisches Handeln zwischen einerseits Preisstrategien durch skalierbare Massenfertigung und andererseits Differenzierungsstrategien durch kundenindividuelle Maßanfertigung bzw. Dienstleistung. Die kundenindividuelle Massenfertigung ist eine Hybridstrategie: Skalierungsund Differenzierungsvorteile werden verheiratet, wo Kunden z.B. per„Konfigurator“ im Netz ihr Wunschauto oder ihren perfekten Schuh konfigurieren und gar abonnieren, nachdem ihr Fuß im Laden vermessen wurde. Der Lösungsraum (die Zahl der Farben, Ausstattungs