Vorwort zur Volksausgabe
Vorwort zur Volksausgabe
Mit dem Erscheinen einer wohlfeilen Volksausgabe meiner „Anarchisten“ verwirklicht sich mir ein immer gehegter Lieblingswunsch, den die Umstände bei der Drucklegung des Werkes selbst nicht zuließen und dessen Erfüllung sich seitdem alle jene Schwierigkeiten entgegengestellt haben, die bei der Ungunst der heutigen Verhältnisse jede freiheitliche Handlung zu einer Unmöglichkeit zu machen sich verschworen zu haben scheinen.
Die Schwierigkeiten sind überwunden und von neuem tritt, nachdem zwei Jahre vergangen, mein Werk an die Öffentlichkeit, sich heute vor Allem an Jene wendend, denen es bisher schwer zugänglich gewesen ist: an die deutschen Arbeiter.
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Zu ihnen ein erstes und voraussichtlich auf lange hinaus letztes, kurzes Wort zu sprechen, darf ich mir nicht versagen. So fest hat sich in den deutschen Arbeitern – mit dem Wachsen der sozialdemokratischen Partei – im Verlauf der letzten Jahrzehnte die Überzeugung eingewurzelt, dass die Befreiung der Arbeit, welche gleichbedeutend ist mit der Schwächung und dem Tod der Privilegien des Kapitals, nur möglich ist, wenn dies letztere den Händen des Einzelnen entzogen und auf dem Wege gewaltsamer Enteignung „Eigentum der Gesellschaft“ geworden ist, und so unerschütterlich scheint mir dieser Glaube geworden zu sein, dass ich nicht sehe, was anders sie von diesem Irrtum abzubringen im Stande sein könnte, als die Erfahrung. Wie bitter diese Erfahrung und wie groß die Enttäuschung sein wird, ahnt nur der, der gleich mir weiß, dass jede Unterbindung wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit zugleich eine Verstärkung des traurigen Zustandes gegenseitiger Abhängigkeit bedeutet.
Aber möge sie gemacht werden, wenn es denn nicht anders sein kann! ...
Freilich: Die großen Demagogen unserer Tage, die sonst so klein sind, wird dann der Tod der ungeheuren Verantwortlichkeit, welche sie auf sich geladen, enthoben haben und vergebens werden ihre opferfreudigen Kämpfer suchen, sie zur Rechenschaft zu ziehen für das, was sie versprechen und immer wieder – versprochen.
Den Kindern dieser Kämpfer wird, vor die traurigste Notwendigkeit gestellt, nichts anderes übrig bleiben, als ihr Heil endlich in der Freiheit, und nur in der Freiheit allein, zu suchen.
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Drei große Feinde hat der Arbeiter als Feinde zu erkennen und zu überwinden: die Politiker, die Philanthropen und – sich selbst. Erst wenn er eingesehen haben wird, dass die Knechte, um die Herren zu verdrängen, nicht erst selbst zu Herren von Knechten geworden sein müssen und dass die Erreichung dieses Zieles – des Zieles aller und jeder Politik – ihn um keinen Schritt seiner wirtschaftlichen Befreiung näher bringt, da diese allein eine Folge harmonischer Entwicklung im sozialen Organismus sein kann; erst wenn er sich von jenen neuen und letzten Predigern einer alten, in ihren Todeszuckungen sich noch einmal aufbäumenden Religion, den Weltverbesserern und Utopisten mit den heißen Köpfen und den lauwarmen Worten, den Ethikern und Moralisten jeder Art, losgemacht hat, die da alle nicht begreifen können und wollen, dass es nicht die Menschen, sondern die Verhältnisse zu ändern gilt, aus welchen heraus die Menschen ‚gut’ und ‚böse’ werden; erst wenn er durch und durch begriffen haben wird, dass nichts auf der Welt ihm zu helfen im Stande ist, als er selbst, und diese Erkenntnis ihn zu neuen, durch kein „Klassenbewusstsein“ mehr getrübten, gründlicheren Erwägungen der Bedingungen, unter denen er lebt und leidet, und damit zu ganz verändertem und aussichtsreicherem Handeln treibt, erst dann, sage ich, kann er hoffen, die Ketten seiner Abhängigkeit zu brechen und von sich zu werfen.
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Die Besprechungen, welche meinem Werke und seinen Übersetzungen so reichlich zu Teil geworden sind, haben ihm nichts nehmen und mir nichts geben können. Die Absicht, auf einige derselben zu antworten, gab ich auf; ich