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In wolkenlosen Nächten, wenn der Mond auf seiner Wanderung nach Westen einen Streifen silbrig schimmernden Lichts auf das dunkle Meer zeichnete, wenn die Luft so klar war, dass die fernen Sterne beinahe so hell wie die Venus zu strahlen schienen, wenn die unendlichen Galaxien ihn in atemloses Staunen versetzten und bezauberten, war Jeffy Coltrane mitunter überzeugt davon, dass jeden Augenblick etwas Unglaubliches, Magisches geschehen könnte. Er arbeitete hart und hatte bei niemandem Schulden, doch im Innersten war er ein Träumer.
An jenem herrlichen Mittwochabend, dem 11. April, sollte das Wunderbare die Bühne betreten, doch hinter den Kulissen lauerte unerwarteter Schrecken.
Als Jeffy und seine elfjährige Tochter Amity nach dem Abendessen ihr Lieblingsrestaurant verließen, herrschte Ebbe. Sie streiften Sneakers und Socken ab, krempelten die Hosenbeine hoch und wateten zu den glatt geschliffenen Felsen hinaus, die vor der Küste von Suavidad Beach, einer kleinen Stadt in Südkalifornien, aus dem Meer emporragten. Dort setzten sie sich nebeneinander, zogen die Beine an, schlangen die Arme um die Knie und schauten in Richtung Fernost, wo Tausende Meilen entfernt Japan lag, ins Licht des kommenden Nachmittags getaucht.
»Wir leben in einer Art Zeitmaschine«, sagte Amity.
»Wie kommst du darauf?«
»Ein Teil des Planeten befindet sich einen Tag in der Zukunft, ein anderer einen Tag in der Vergangenheit. Und in Japan ist jetzt schon morgen Nachmittag.«
»Vielleicht sollte ich dich einen Monat lang nach Tokio schicken. Du könntest mich jeden Tag anrufen und mir sagen, welche Pferde auf der Rennbahn in Santa Anita gewinnen werden.«
»Ja, klar«, sagte sie. »Wenn es so funktionieren würde, wären alle Leute stinkreich … Alle würde beim Wetten betrügen!«
»Oder es gäbe gar keine Rennen mehr, weil die Buchmacher von den vielen Betrügern in den Ruin getrieben worden wären. Und all die armen Pferde wären arbeitslos.«
»Und was lernen wir daraus?«, fragte sie.
»Ja, was denn?«
»Betrug lohnt sich nicht. Im Zweifel sollte man immer das Richtige tun!«
»Das hab ich irgendwo schon mal gehört.«
»Weil ich total gehirngewaschen bin.«
»Väter waschen ihren Kindern nicht das Gehirn.«
»Schneckendreck!«
»Nein, wirklich. Wir lösen das über Propaganda.«
»Und wo soll da bitte der Unterschied sein?«
»Propaganda ist eine viel sanftere Methode als Gehirnwäsche. Oft merkt man gar nicht, wie einem geschieht.«
»Ha, ich merk das aber schon«, sagte sie. »Weil es nämlichdie ganze Zeit über passiert.«
»Du wirst wirklich schrecklich unterdrückt!«
Sie seufzte. »Ich ertrage es mit Fassung.«
Lächelnd schüttelte Jeffy den Kopf. Jenes unfassbare, zauberhafte Wunder, auf das er, der Träumer, gelegentlich noch wartete, hatte sich in Wahrheit längst ereignet: Es hieß Amity.
Eine schwache Brise wehte über das Meer, trug den Geruch nach Salz und – so glaubte, nein,wusste er – exotischen Gewür