Die Geschichte der Shoah ist untrennbar mit der Frage verbunden »Warum die Deutschen?«. Die Erforschung der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden ist nicht zuletzt eine Erforschung des Haupttäters, ja von Millionen deutscher Täter und Mittäter. Was unterscheidet, so ist zu fragen, die deutsche Geschichte von der west- und osteuropäischen, was differenziert den deutschen Antisemitismus von der Judenfeindschaft anderer Länder, zumal sich der Antisemitismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, während des Ersten Weltkriegs sowie in den 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre in zahlreichen Ländern qualitativ verstärkte. Eine erste Antwort liegt im Kampf relevanter deutscher Bevölkerungsteile gegen die rechtliche Gleichstellung der Juden, die in den Jahren 1811/1812 auf erbitterte Gegenwehr stieß, als der preußische Kanzler Hardenberg die »Judenemanzipation« auf den Weg brachte. Zwar blieb den Juden der Staatsdienst verwehrt, gleichwohl umfasste die Liste der Gegner der Judenemanzipation die Crème de la Crème der preußischen Gesellschaft. Gewiss war die Gegnerschaft gegen die rechtliche Gleichstellung der Juden auch in anderen Ländern erheblich, die deutsche Spezifik lag indes darin, dass bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts bedingt durch die späte deutsche Nationalstaatsbildung das Völkische einen hohen Stellenwert einnahm und in der zweiten Hälfte zum Rassischen mutierte. Im ideologischen Konstrukt der Judenhasser nahm »der Jude« die Rolle der »Gegenrasse« ein, des kulturellen Zerstörers wie biologischen Verunreinigers deutschen Blutes. Auf Basis einer biologistisch-völkisch orientierten Nationals