: Hermann Hiery
: Deutschland als Kaiserreich Der Staat Bismarcks - Ein Überblick
: marixverlag
: 9783843806374
: 1
: CHF 15.80
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: Neuzeit bis 1918
: German
: 432
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im Sommer 1870, vor gut 150 Jahren, erklärte das französische Kaiserreich dem von Preußen geführten Norddeutschen Bund den Krieg. Aus diesem Krieg, in dem die bislang unabhängigen süddeutschen Staaten die Norddeutschen um Preußen unterstützten, entstand der Nationalstaat der Deutschen. Das Buch präsentiert einen gut lesbaren Überblick zur Geschichte des Deutschen Kaiserreiches, der vollkommen neu aus den historischen Quellen erarbeitet wurde. Er kommt dabei zu vielen überraschenden Ergebnissen, die die traditionelle Sicht vieler Historiker infrage stellen. Immer wieder wird auf die langfristigen Folgen damaliger Politik verwiesen, die vielfach bis in unsere Gegenwart reichen. Neu bewertet werden u. a. der Kulturkampf und das sogenannte Sozialistengesetz gegen die 'gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie'. Bei wichtigen Weichenstellungen geht der Autor der Frage nach, welche anderen Alternativen in der Zeit möglich gewesen wären. Das gilt auch für den Ausbruch und den Verlauf des Ersten Weltkrieges und den Zusammenbruch des Kaiserreiches, mit denen das Buch schließt.

Hermann Joseph Hiery, geboren 1957 in Saarlouis, ist seit 1996 Ordinarius für Neueste Geschichte an der Universität Bayreuth. Er war Gastprofessor u. a. an den Universitäten in Auckland, Bordeaux, Peking und Prag. Sein Spezialgebiet ist die Geschichte des Deutschen Kaiserreiches und seiner Kolonien. Als langjähriger Vorsitzender der Gesellschaft für Überseegeschichte war er u. a. Herausgeber des Lexikons zur Überseegeschichte.

KAPITEL 2 – DER ERSTE DEUTSCHE NATIONALSTAAT: DER NORDDEUTSCHE BUND


Das durch die militärischen Erfolge geschaffene Großpreußen trat mit seinen Verbündeten nun auch politisch in eine engere Verbindung. Es entstand der Norddeutsche Bund als der erste wirkliche deutsche Nationalstaat. Aber die Drohung Frankreichs verhinderte den Beitritt der süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Hessen, die allesamt in den neuen deutschen Staat eintreten wollten, wenn auch zu von ihnen gestellten Bedingungen.

Der Main wurde jetzt tatsächlich zur politischen Grenze Deutschlands. Nördlich davon bestand der Norddeutsche Bund, dem auch das Königreich Sachsen beigetreten war. Zu einem süddeutschen Staatenbund, der ursprünglich diskutiert worden war, kam es nicht. Entscheidend war der Widerstand Württembergs. Die merkwürdigen staatsrechtlichen Verhältnisse Deutschlands gingen damit auch nach Ende des Deutschen Bundes weiter. Sie manifestierten sich jetzt darin, dass das Großherzogtum Hessen(-Darmstadt), durch dessen Territorium der Main quer hindurchlief, deutschlandpolitisch geteilt war. Die Gebiete Hessens, die nördlich des Mains lagen, gehörten zum Norddeutschen Bund, jene südlich des Mains jedoch nicht. Aber, wie es sich für die historisch seit Jahrhunderten bestehenden Besonderheiten im deutschen Staatsgefüge gehört, gab es selbst nach 1866 keine Regel ohne Ausnahme. Weil Preußen auch in Süddeutschland Territorien besaß (Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen), zählten zum Norddeutschen Bund sogar Teile der Schwäbischen Alb, der oberen Donau (mit dem bekannten Benediktinerkloster Beuron) und des nördlichen Schwarzwaldes. Heute gehören diese Gebiete hauptsächlich zum Landkreis Sigmaringen in Baden-Württemberg. Die Ausnahmestellung hat sich aber in Teilen bis in die Gegenwart erhalten. Kirchenrechtlich gehören die Katholiken nicht – wie sonst in der Region üblich – zum Bistum Stuttgart