: Lukas Bärfuss
: Luther - Frau Schmitz - Julien Stücke
: Wallstein Verlag
: 9783835347243
: 1
: CHF 16,30
:
: Dramatik
: German
: 324
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Drei neue Stücke von Lukas Bärfuss, die große Themen diskutieren und zugleich an unsere Alltagserfahrungen anknüpfen - tragisch, komisch und grotesk. 2021 jährt sich Martin Luthers berühmte Widerrufsverweigerung auf dem Wormser Reichstag zum fünfhundertsten Mal. Bei den in ebendieser Stadt veranstalteten Nibelungen-Festspielen sollte aus diesem Anlass statt des üblichen Hebbel-Dramas 'Die Nibelungen' das Stück 'Luther' von Lukas Bärfuss zur Uraufführung kommen. Der Initiator der Reformation kommt in diesem Stück als handelnde Figur zwar nicht vor, sein Wirken spiegelt sich aber im Handeln der anderen Figuren, seien es Vertreter der weltlichen Macht wie am Hofe in Brandenburg oder Vertreter der geistlichen Macht wie Papst Leo X. Während man hier und dort der Meinung ist, sich diesen Luther zu seinem 'Werkzeug' machen zu können, bleiben dessen Bestrebungen nicht ohne Folgen, und die Kurfürstin Brandenburgs wendet sich mehr und mehr seinen Lehren zu. In 'Frau Schmitz', einer 2016 uraufgeführten Gendergroteske, kommen die wirtschaftlichen Verstrickungen der Gegenwart in den Blick: Was tun, wenn eine Firma wichtige Verhandlungen mit einem Zulieferer in Pakistan führen muss, die geeignete Person hierfür aber eine Frau ist? Und was passiert, wenn diese nach dem Erfolg die Männerkleidung anbehält? Und ist Frau Schmitz überhaupt eine Frau oder nicht eher ein Mann? Abgeschlossen wird dieser neue Stücke-Band von Lukas Bärfuss mit 'Julien', einem im Januar 2020 uraufgeführten Stück, das sich mit einem Klassiker der Weltliteratur auseinandersetzt und die Geschichte des Protagonisten aus Stendhals 'Rot und Schwarz' neu erzählt, die Geschichte eines Emporkömmlings, dessen tiefer Fall nicht auf sich warten lässt.

Lukas Bärfuss, geb. 1971 in Thun / Schweiz, ist Dramatiker und Romancier, Essayist. Seine Stücke werden weltweit gespielt, seine Romane sind in zwanzig Sprachen übersetzt. Lukas Bärfuss ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und lebt in Zürich. Auszeichnungen u. a.: Berliner Literaturpreis (2013), Schweizer Buchpreis (für 'Koala', 2014), Nicolas-Born-Preis (2015). Mit 'Hagard' stand er 2017 auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse. 2019 wurde Lukas Bärfuss mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.

Frau Schmitz


Für Muriel

Personen

 

Frau Schmitz

Leni, die Ehefrau

Valerie, die Tochter

Carl, ihr Freund

Rolf, der Chef

Sven, ein Projektleiter

Mara, die Personalerin

Julius, ein Angestellter

Dr. Julie Gerber, eine Ärztin

 

 

Schauplätze

 

In einer Firma; im Hause Schmitz, in einem Park, in einer Klinik für kosmetische Chirurgie

 

 

 

Anmerkung des Autors: Dieses Schauspiel entstand in der Spielzeit 2016 /2017 am Schauspielhaus Zürich. Die Rolle der Frau Schmitz wurde in den Szenen 1 bis 34 von Friederike Wagner, in den Szenen 35 bis 37 von Lambert Hamel gespielt. Die Idee zu diesem Tausch stand am Anfang meiner Auseinandersetzung mit diesem Stoff.

1. EINE BRAUNSCHWEIGER FAYENCE


In einer Firma, in einem etwas düsteren Büro, Montagmorgen.

Julius, Frau Schmitz in Damengarderobe.

 

JULIUS Warum sind Sie nicht gekommen, Frau Schmitz, letzten Sonntag. Warum haben Sie mich warten lassen. Hat Sie die Antiquitätenmesse nicht interessiert. Oder finden Sie mich seltsam. Ich bin seltsam. Ich hätte eine Begleitung gehabt. Ein Mädchen aus dem Erdgeschoss. Das könnte ich haben, jederzeit. Es ist in meinem Alter und streicht um meine Beine wie eine rollige Katze. Darauf bilde ich mir nichts ein, das macht es mit jedem, es kann nicht anders. Es schiebt sein Fleisch durch die Straße, klebt Acrylschaufeln an die Nägel und Polyesterborsten an die Wimpern. Alles an ihm stinkt nach Jugend, aber ich sehne mich nach Reife, Frau Schmitz, nach Patina, nach dem Wabi-Sabi, wie die Japaner die edlen Spuren des Gebrauchs auf ihren Tassen der Teezeremonie nennen. Wo waren Sie, Sonntag. Im Kreise Ihrer Familie. Haben Sie auf dem Balkon gesessen bei Kaffee und Kuchen. Haben Sie einen Spaziergang gemacht an der Seepromenade. Wie man das so tut, als Ehepaar. Schön. Haben Sie einmal an mich gedacht. Durch die Hallen bin ich gerannt, im Kongresshaus, von einem Stand zum nächsten und habe nach einem Geschenk gesucht, einem Pfand, das ich Ihnen zu Füßen legen könnte. Da gab es eine Braunschweiger Fayence, die hätte Ihnen bestimmt gefallen, für die Kommode in Ihrem Schlafgemach. Eine Iserlohner Dose, fürs Puder oder als Etui für den Anhänger aus Achat, den Sie nur gelegentlich tragen, zuletzt am Donners