2. KAPITEL
„Jetzt leg wenigstens für einen Moment deinen Pinsel weg und rede mit mir!“, rief Xander Acosta vom Rücken seines übermannshohen Rappen Thor herab. „Ich hätte mich nie auf so eine dämliche Portraitsitzung einlassen sollen.“
„Hör auf zu meckern, und halt noch einen Augenblick still“, beschwichtigte Sofia ihren Bruder. Mit erhobenem Pinsel trat sie einen Schritt zurück, um ihr Werk in Augenschein zu nehmen. „Hier könnte ich vielleicht noch ein wenig nachbessern …“, murmelte sie.
Was für eine Herausforderung, die überwältigende Aura ihres ältesten Bruders einzufangen! Konzentriert kniff sie die Augen zusammen, als sie zu einigen letzten Pinselstrichen ansetzte. Sofia liebte Herausforderungen, und sie war wild entschlossen, Xanders enormen Glanz, der alles und jeden in seiner unmittelbaren Umgebung in den Schatten stellte, auf die Leinwand zu zaubern.
„So!“ Mit entschlossener Geste legte sie den Pinsel zur Seite. „Fertig.“ Sie drehte die Staffelei um. „Schau es dir an! Du strahlst heller als jeder Komet und thronst wie ein König auf deinem Hengst.“
„Ach, Sofia“, seufzte Xander, während er sich den Nacken massierte. „Musst du immer noch einen draufsetzen?“
„Falls du den Zeitungsartikel meinst …“ Sofias Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Xander war der einzige ihrer vier Brüder, der überhaupt noch mit ihr sprach, seit unter ihrem Namen eine skandalträchtige Reportage über den europäischen Adel und die Poloszene erschienen war, der die Acosta-Brüder und Prinz Cesar di Ardente aufs Übelste verleumdet hatte. Dabei stammte kein einziges Wort aus Sofias Feder! Wenn sie nur wüsste, wie sie ihre Unschuld beweisen sollte.
„Du leitest ein ausgebuchtes Achtsamkeitszentrum, du kannst teuflisch gut reiten, und du bist eine begnadete Künstlerin“, fasste Xander zusammen, während er die Leinwand eingehend studierte. „Was sollte dieser Ausflug in die Schreiberei? Kannst du dich nicht mit dem zufrieden geben, was du hast?“
„So wie du?“
Xander ignorierte Sofias Anspielung auf sein ewiges Junggesellendasein. Schließlich hatte er nach dem Tod ihrer Eltern die Verantwortung für seine Geschwister und das Familiengeschäft übernommen. Für ein Privatleben war ihm beim besten Willen keine Zeit geblieben.
„Hast du wenigstens gut daran verdient?“
Ebenso wie ihre anderen drei Brüder vermutete auch er, dass Sofia ihre Seele an den Teufel verkauft und ein ansehnliches Sümmchen dafür kassiert hatte. Die Wahrheit war wie immer ein wenig komplizierter.
In der Tat war Sofias Achtsamkeitszentrum mehr als ausgebucht. Die kleine Oase, die Sofia im Andenken an ihre geliebte Mutter geschaffen hatte, war rasch gewachsen. Bald hatten sich die Anfragen von Menschen in Not derart gehäuft, dass Sofia dringend expandieren musste. Doch sie hatte bereits ihr gesamtes Erbe in das Refugium und sein erlesenes Programm aus Achtsamkeitstraining, Meditation und Yoga investiert.
Unverhofft war das Angebot einer großen Tageszeitung auf ihren Tisch geflattert: ob sie wohl einen kurzen Gastbeitrag über die Zukunft des europäischen Adels und seine Verbindungen zur glamourösen Poloszene liefern könne? Natürlich sagte Sofia zu!
Nie im Leben hätte sie gedacht, dass man ihre Worte völlig verdrehen würde! Nicht genug, dass kein einziger Satz so gedruckt worden war, wie sie ihn niedergeschrieben hatte. Statt Sofias harmloser Anekdoten reihte sich nun eine schmierige Geschichte über das ausschweifende Luxusleben des vermeintlichen Vorzeigeprinzen und seiner Mannschaftskollegen an die nächste. Seitdem war die einst innige Beziehung zu ihren Brüdern eingefroren.
Sofia war verzweifelt. Doch sie konnte sich nicht gegen diese hinterhältigen Machenschaften wehren. Denn sollte sie rechtliche Schritte einleiten oder öffentlich Stellung beziehen – so war sie eindringlich gewarnt worden –, würden weitere Artikel unter ihrem Namen erscheinen, in denen noch mehr brisante Details und diffamierende Gerüchte verbreitet würden. Wollte sie ihre Familie schützen, war Sofia zum Schweigen verdammt.
Xander belohnte seinen