1. KAPITEL
„Halt einfach die Klappe! Niemand will sich von einem Basketballspieler etwas über Politik anhören.“
Hinter dem breiten Rücken seines Bodyguards schlängelte Ahmed sich rasch durch die etwa zwanzig lautstarken Menschen zu den Türen des Radiosenders. Einige gafften einfach nur seinetwegen – er war reich, mit dreißig im Ruhestand und ständig in der Clubszene von Atlanta oder auf den Klatschseiten im Internet zugegen. Andere waren da, weil sie einen Skandal oder etwas Ähnlich witterten. Und manche, so wie der Typ, von dem Ahmed gerade angeschrien worden war, hatten an einem Mittwochmorgen um zehn Uhr offenbar einfach nichts Besseres zu tun.
„Streng genommen bist du einEx-Basketballspieler, von daher kannst du zu verdammt noch mal allem eine Meinung haben“, knurrte Sam, Ahmeds Bodyguard und Cousin, als sie an den Sicherheitsleuten des Radiosenders vorbeigingen, gerade leise genug, dass Ahmed es hören konnte. Obwohl niemand reagiert hätte, wenn er es laut ausgesprochen hätte. Typen, die über einen Meter neunzig groß und mit einem Stapel Muskeln bepackt waren, durften so ziemlich alles zu so ziemlich jedem sagen.
Ahmed war zurückhaltender, aber – so glaubte er gerne – nicht weniger beeindruckend gebaut mit seinen knapp zwei Metern voller schlanker und doch definierter Muskeln, einem kantigen Kinn und markanten Wangenknochen, die bereits das ein oder andere Mal als „gemeißelt“ beschrieben worden waren. Und das waren nur die netten Dinge, die seine Schwestern über ihn sagten.
Nur die Erinnerung an das gemütliche Frühstück mit seiner Familie – seinen Schwestern Aisha und Devyn, seiner Mutter und Sam – ließ seine Verärgerung über den Zwischenrufer zu einem leisen Plätschern verhallen. Außerdem war die Feindseligkeit von Fremden nichts Neues für ihn, vor allem nicht nach zwölf Jahren als Profisportler. Jetzt war er im Ruhestand und hatte Spaß daran, nebenbei eine Radiosendung zu moderieren. Selbst wenn er kein Wort über Politik verlieren würde, fänden die Leute noch einen Weg, ihn zu beleidigen. Viele seiner ehemaligen Teamkollegen waren dafür ein Paradebeispiel. Die Leute lieben dich, wenn du gut spielst, ihnen Geld einbringst, sie unterhältst. Aber sobald du versagst, war’s das.
„Verdammt, die sind heute ganz schön ungehobelt.“ Mit einem Schulterzucken zog Sam sich das dunkle Jackett fester um die Schultern. Der maßgeschneiderte Anzug verbarg mühelos seine Pistole und ließ seinen großen Körper irgendwie kleiner, wenngleich nicht weniger bedrohlich wirken. Ahmed hatte keine Ahnung, wie er es bei diesem irrsinnig heißen Januarwetter, das Atlanta derzeit plagte, darin aushielt. „Was zum Teufel hast du angestellt, während ich geschlafen habe?“ Das tiefe Grollen in seiner Stimme machte Ahmed klar, dass es nur zum Teil scherzhaft gemeint war. Bevor sie getrennte Wege gegangen waren – Sam als Soldat und Ahmed als Profi-Basketballer – hatte Sam Ahmed immer wieder aus den Schwierigkeiten herausgeholt, in die seine große Klappe ihn gebracht hatte. Er hatte gelernt, seine Schnoddrigkeit zu zügeln, doch nachdem man Sam ehrenhaft aus der Armee entlassen hatte, war er in seine Rolle als Bodyguard zurückgekehrt, allerdings in offizieller Funktion.
„Du weißt, dass es an dem Tweet liegt, den ich gestern Abend gepostet habe“, sagte Ahmed.
„Als ob nicht die ganze Stadt schon wüsste, wie du über die Schließung der Highschool in Downtown denkst.“ Sam nahm den breiten, sterilen Flur und das halbe Dutzend Menschen, die ihn durchquerten, mit geschultem Blick in Augenschein, wobei er Details bemerkte, die für Ahmed selbstverständlich schienen.
„Wollte nur sicherstellen, dass ihnen meine Meinung nicht entgangen ist“, sagte er und zuckte verächtlich mit den Mundwinkeln.
Die Marcus Garvey High war eine Schule, in deren Unterstützung Ahmed viel Zeit und Geld gesteckt hatte. Ihr MINT-Programm zielte darauf ab, Kindern aus der Stadt nach ihrem Abschluss die gleichen Chancen auf naturwissenschaftliche und technische Berufe zu ermöglichen. Obwohl Ahmed in eine Familie der Mittelklasse hineingeboren worden war und sich nicht den Herausforderungen hatte stellen müssen, denen viele der Kinder dieser Highschool sich gegenübersahen, wollte er nicht, dass eine Sportlerkarriere oder das Militär die einzigen Zukunftsoptionen für sie waren.
Ahmed hatte es satt, dass die Bildung der Kinder in der Stadt eine so niedrige Priorität hatte. Man musste etwas tun, um ihre Zukunft zu sichern. Er war vielleicht kein Politiker oder gar ein „echter Aktivist“, aber er tat, was er konnte, solange er die Plattform dafür hat