: Vandana Shiva
: Wer ernährt die Welt wirklich? Das Versagen der Agrarindustrie und die notwendige Wende zur Agrarökologie
: Neue Erde
: 9783890603612
: 1
: CHF 12.40
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: Natur und Gesellschaft: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In dieser Abrechnung der Aktivistin Vandana Shiva wird eindrucksvoll dargelegt, wie die Agrargroßindustrie mit Chemie und Gentechnik den Planeten plündert, die Lebenswelt zugrunde richtet und unsere Gesundheit untergräbt. Und sie zeigt faktenreich und sachkundig auf, wer wirklich unsere Nahrungsgrundlage sicherstellt und wie wir den Hunger besiegen und unsere Nahrungssicherheit wieder herstellen können. Nur 30 Prozent der von den Menschen verzehrten Lebensmittel stammen aus industriellen Großbetrieben, 70 Prozent aus kleinen, biologisch vielfältigen Betrieben. Dafür werden 75 Prozent der ökologischen Zerstörung unseres Bodens, unseres Wassers und unserer biologischen Vielfalt durch industrielle Anbaumethoden verursacht, und 40 Prozent der Klimaverwüstung, die wir heute erleben, ist auf die industrielle globalisierte Landwirtschaft zurückzuführen. Das heißt: Die industrielle Landwirtschaft wird, bis sie auch nur 40 Prozent unserer Nahrungsmittelversorgung bereitstellen kann, 100 Prozent unserer ökologischen Lebensgrundlage zerstört haben. Dies ist ein Rezept für unser Aussterben, nicht für die Ernährung der Welt. Der biologische Anbau in landwirtschaftlichen Betrieben und Gärten überall muss zur planetarischen Mission werden. Wir müssen für ein Ernährungs- und Landwirtschaftssystem innovativ tätig werden, das die Erde, unsere Gemeinschaften, unsere Städte und unsere Gesundheit regeneriert. Das ist Agrarökologie.

Vandana Shiva (* 5. November 1952 in Dehradun) ist eine indische Wissenschaftlerin, soziale Aktivistin und Globalisierungskritikerin. Für ihr Engagement in den Bereichen Naturschutz, biologische Vielfalt, Frauenrechte und Nachhaltigkeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Ihr wurde 1993 der Right Livelihood Award - inoffiziell auch Alternativer Nobelpreis genannt - verliehen, weil sie die Themen Frauen und Ökologie in den Mittelpunkt des Diskurses um moderne Entwicklungspolitik gestellt hat. Sie ist unter anderem Mitglied der Internationalen Organisation für eine Partizipatorische Gesellschaft (IOPS). Des weiteren ist sie Gründungsmitglied beim World Future Council.

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Agrarökologie ernährt die Welt, nicht ein gewalttätiges Wissensparadigma


Die letzten zehntausend Jahre hat die Menschheit ökologisch gewirtschaftet. Verfahren und Kreisläufe der Natur haben zu Erneuerung, Reproduktion und Vielfalt geführt und allen Wesen ein friedliches Zusammenleben ermöglicht. Diese nachhaltigen Systeme sind nicht feststehend oder statisch; sie befinden sich in ständiger Entwicklung. Als Teil dieser ökologischen Systeme hat sich die biologische Landwirtschaft entwickeln können. Sie entwickelte sich sogar so gut, dass selbst diejenigen, die als erste von der industriellen Landwirtschaft profitieren konnten, feststellen mussten, dass ihre Chemikalien und Pestizide wenig zur »Verbesserung« der traditionellen ökologischen Landwirtschaft beitragen konnten.

Bereits 1889 wurde Dr. John Augustus Voelcker nach Indien entsandt, um die britische Kolonialregierung bei der Einführung der chemischen Landwirtschaft auf indischen Farmen zu beraten. Beim Studium der indischen Landwirtschaftssysteme erklärte Voelcker: »Es gibt wenig oder nichts, was verbessert werden kann. […] Sicher ist, dass zumindest ich nie ein perfekteres Bild eines sorgfältigen Anbaus gesehen habe. Ich darf mir erlauben zu sagen, dass es viel einfacher ist, Verbesserungen in der englischen Landwirtschaft vorzuschlagen, als der indischen Landwirtschaft sinnvolle Vorschläge zu machen.«1 Mehr als zwanzig Jahre später schrieb Sir Albert Howard, der »Vater« der modernen nachhaltigen Landwirtschaft, über Indien und China: »Die landwirtschaftlichen Praktiken des Orients haben die höchste Prüfung bestanden, sie sind fast so nachhaltig wie die des Urwaldes, der Prärie oder des Ozeans.«2 Das Bemerkenswerte an diesen Aussagen ist, dass diese beiden Männer immerhin Kolonisatoren waren, die größere Profite aus und eine stärkere Kontrolle über das Land der Einheimischen anstrebten. Doch sogar sie konnten keine Mängel in den vorhandenen »perfekten« Anbaumethoden finden. Entgegen der landläufigen Meinung gab es die Hungersnöte nicht deshalb, weil die einheimische Landwirtschaft nicht im Überfluss Nahrungsmittel produziert hätte, sondern wegen der kolonialen Ausbeutung, wie die große bengalische Hungersnot von 1943 beweist.3

In den letzten fünfzig Jahren hat sich jedoch etwas verschoben. Dieses letzte halbe Jahrhundert war ein kurzlebiges Experiment mit nicht nachhaltiger, chemikalien-, wass