Kapitel 2
Ecki kannte Frauen, und das reichlich. Die meisten Stunden seiner Wochenenden verbrachte er im Bett, und zwar nicht immer in seinem eigenen – und selten alleine. Manchmal, wenn Ecki »Besuch« hatte, konnte Richard im Nebenhaus deutlich hören, dass die Besucherin sich bei seinem besten und einzigen Freund sehr wohl fühlte und auch das eine oder andere spirituelle Erlebnis hatte, denn der Ausruf »Oh Gott!« war von drüben sehr häufig zu hören. Richard hatte eine Zeitlang darüber Buch geführt, also wusste er über die Art und Anzahl der Rufe besser Bescheid als Ecki.
Richard hatte Probleme mit Frauen. Er fühlte sich unattraktiv, und er wurde in Gegenwart dieser schönen Wesen immer so nervös, dass er entweder kein Wort herausbrachte oder kompletten Unsinn redete. Da konnte Eckhard ihm noch so oft sagen, er müsse doch einfach nur einen coolen Spruch raushauen, und das sei schon die halbe Miete fürs Bett. Aber was bei Ecki ganz leicht wirkte und wie von selbst funktionierte, ging bei Richard stets nach hinten los.
»Mal ehrlich, Richy, mit der Frage, ob die Süße ihre Steuererklärung schon gemacht hat und ob du ihr dabei helfen sollst, legst du keine Frau flach.« Ecki grinste. »Okay, vielleicht die Obermann … aber die würde ich nur mit Vorbehalt als Frau bezeichnen.«
Richard verzog das Gesicht. Denise Obermann war die Chefin der Finanzamtsabteilung, in der sie beide arbeiteten, und diese Dame als »unangenehme Person« zu bezeichnen, war noch höflich untertrieben. Nach Richards Ansicht war die Bezeichnung »Drache« zutreffender, und Ecki kategorisierte die Dame je nach seiner persönlichen Laune als »Die ist bestimmt ein Kerl in Frauenkleidern« oder »Jede Wette, dass die in ihrer Freizeit in die Lederkluft steigt und sich als Domina etwas nebenher verdient«. Beides hielt Richard für möglich.
»Pass auf«, meinte Ecki mit einem Grinsen, das Richard Schlimmes ahnen ließ. »Ich zeig dir mal, wie man das macht.« Er räusperte sich, setzte sich in seinem Stuhl in Pose, fuhr sich mit den Händen durch die Haare und setzte sein Strahlemann-Lächeln auf. »Die nächste junge Frau, die reinkommt, wird mein nächstes Date, einschließlich heißem Ritt auf meinem Joystick.«
Richard winkte ab und schüttelte den Kopf, aber das spornte Ecki nur noch mehr an.
»Du glaubst es nicht? Du hast den Meister noch nicht bei der Arbeit gesehen …«
Das stimmte. Und genaugenommen wollte Richard den Meister auch nicht bei der Arbeit sehen, sondern lieber vor Feierabend mit den Akten fertigwerden.
»Wetten, dass ich die nächste Lady klarmache?«
Aus reiner Freundschaft und um seinem Leben wenigstens einen Hauch von Spannung und Risiko zu geben, willigte Richard in die Wette um zehn Euro ein.
Ecki drückte den Knopf der Rufanlage.
»Der Nächste bitte«, sagte er mit sonorer Stimme. Draußen auf dem Flur warteten die mehr oder weniger steuerzahlungswilligen Kundinnen und Kunden, und was nach einem kurzen höflichen Klopfen an der Tür eintrat, war genau das, was Ecki hinter vorgehaltener Hand gerne als »Erektionsbeschleuniger« bezeichnete.
»Guten Tag!« Die Frau, die das sagte, war ausgesprochen hübsch, hatte eine atemberaubende Figur, Lippen, die wie zum Küssen geschaffen waren, und ein Lächeln, das Flüsse bergauf fließen ließ. Ihren Brüsten, ihrem Po und den absolut perfekten Beinen, die unter ihrem Rock herauskamen und bis zum Boden reichten, während ihre Füße von eleganten Pumps umschmeichelt wurden, die jede Bewegung der Frau zu einem Tanz werden ließ, schenkte Richard weniger Aufmerksamkeit. Das war mehr Eckis Terrain. Richard wollte ihr lieber Gedichte vorlesen oder zusammen mit ihr Kunstfilme anschauen, und vielleicht würde er ihr sogar zeigen, was er in seinem Keller versteckte …