Sanfte Mozartmusik erklang, aber sie hatte nichts Freundliches für Olivias Ohren. Sie wollte fliehen, davonstürzen, doch es war, als liefe sie gegen ein Hindernis an. Irgend jemand stellte sich ihr in den Weg und versperrte ihr die Tür. Doch dieser Jemand war nicht zu sehen. Olivia konnte ihn nur fühlen, er war kalt und grausig. Kalte Hände legten sich um ihren Hals. Sie wollte um Hilfe schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Und dann kam die Stimme, diese Stimme wie aus der Tiefe eines Gewölbes. »Gib dir keine Mühe, mein Kind. Du entkommst mir nicht. Ich werde bei dir sein, so oft ich es will. Ich werde keine Ruhe geben, ehe wir nicht gemeinsam auf die große Reise gehen…«
??Professor Dr. Clemens Thorberg saß in seinem behaglich eingerichteten Arbeitszimmer am Schreibtisch. Vor ihm lagen viele engbeschriebene Schreibmaschinenseiten. Es war der Text seines neuesten Buches über Parapsychologie, das demnächst erscheinen sollte. Merkwürdig, die Arbeit ging heute nicht recht voran. Seine Gedanken waren nicht bei der Sache, er war abgelenkt und unkonzentriert. Das war ungewöhnlich für Professor Thorberg. Normalerweise arbeitete er umso leichter, je mehr eine Abhandlung sich dem Ende neigte.
??Schon wollte er das Manuskript zur Seite legen, um spät am Abend noch einmal daran zu gehen, als er die bekannte Melodie hörte. Sie verfolgte ihn bis in seine Träume, sie weckte in ihm jedesmal von neuem tiefes Erschrecken.
??»Nein, nicht schon wieder!« stöhnte er entsetzt. Dabei waren es eigentlich freundliche Töne aus einer Mozartsonate, die keinerlei Furchterregendes an sich hatten. Aber Clemens Thorberg kannte sie. Dieser Melodie folgte fast immer eine Geistererscheinung, die ihn mehr und mehr beunruhigte.
??Schon stand ihm der kalte Schweiß auf der Stirn, seine Hände zitterten und sein Puls raste. Die elektrische Schreibtischlampe flackerte, um dann ganz zu erlöschen. Von den Straßenlaternen drang nur wenig Licht durch die dichten Fenstervorhänge, so daß der Raum in ein gespenstisches Halbdunkel getaucht war. Und dann sah er SIE. Sie schwebte in einer hellen Wolke, die sich langsam zu seinem Schreibtisch herabsenkte. Sie war ihm nah und bekannt, aber doch auf eine seltsame Art entrückt. Wie gebannt starrte er auf die Erscheinung. Er war unfähig, sich zu bewegen oder die Frau aus dem Jenseits von sich aus anzusprechen. Sie mußte das Wort ergreifen, mußte ihm Fragen stellen, erst dann fand er seine Sprache wieder. Er kannte es bereits von vielen Begegnungen ähnlicher Art, aber es war immer wieder neu und bedrückend. Er hätte daran gewöhnt sein können, so oft hatte er es schon erlebt. Aber das Gegenteil war der Fall. Es wurde von Mal zu Mal schlimmer für ihn.
??»Habe ich dir einen Schrecken eingejagt, Clemens?« fragte die Stimme, die er unter Tausenden wiedererkannt hätte. Es war die Stimme seiner verstorbenen Frau, aber sie war auf schaurige Art verändert. Sie klang, als käme sie aus einem dumpfen Gewölbe. Ein Widerhall, der jedes Wort begleitete, verstärkte diesen Eindruck auch noch.
??»Wie oft willst du dieses Spiel noch wiederholen, Esther?« fragte er mutlos.
??Sie lachte schrill.
??»Sooft es mir gefällt. Gib mir Olivia, dann hast du deine Ruhe.«
??»Nein!« sagte Clemens Thorberg entschieden. »Olivia soll leben, sie soll glücklich werden.«
??»Bei mir wä