1. KAPITEL
„Manchmal kommt das Leben einer Prinzessin einer lebenslangen Haftstrafe in Alcatraz sehr nahe“, murmelte Therese, während sie sich für einen weiteren Dinnerempfang im Palazzo di Scorsolini zurechtmachte und den Reißverschluss ihres mintgrünen Lieblingskleides zuzog.
Es lag jedoch nicht an der Aussicht eines weiteren Dinners mit König Vincente und den anderen Würdenträgern, die zu Besuch waren, dass sie so frustriert war. Sie liebte den König von Isole dei Re, war ihm sogar näher als dem eigenen Vater.
Trotzdem gab es Zeiten, da wünschte sie, Claudio und sie hätten ihr eigenes Heim und nicht nur die Privatgemächer im königlichen Palast von Lo Paradiso. So schön und luxuriös die Suite auch war, sie ließ nur wenig Intimsphäre zu, wenn von Therese und Claudio erwartet wurde, die meisten Mahlzeiten im großen Speisesaal einzunehmen. Die Pflichten einer Prinzessin hatten Vorrang vor persönlichen Bedürfnissen, und an manchen Tagen verkraftete Therese das eben weniger gut. Der heutige Tag zum Beispiel … für sie war er wie ein Fegefeuer gewesen, und sie brannte darauf, die Nachrichten, die sie von ihrem Arzt in Miami erhalten hatte, ihrem Mann mitzuteilen. Sie war absichtlich in die Staaten geflogen, um größtmögliche Diskretion zu garantieren.
Fast wünschte sie, sie hätte es nicht getan. Denn hätte die Presse Wind davon bekommen, könnte sie es sich jetzt ersparen, Claudio zu informieren.
Ein feiger Gedanke. Und sie war kein Feigling.
Doch selbst als kultivierte und gewandte Diplomatentochter konnte sie nicht gleichgültig dem Ende ihrer Ehe entgegensehen. Anders als ihre Eltern bestand das Leben für sie nicht aus einer Folge von politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen und Gegenmaßnahmen. Nein, das reale Leben hielt Kummer bereit.
Claudio war gerade mit dem Anstecken seiner goldenen Manschettenknöpfe beschäftigt und zog dann die Hemdsärmel mit knappen, effizienten Bewegungen gerade. Dieses vertraute Bild würde ihr fehlen.
„Ich denke, ich werde es deiner Mutter sagen.“ Seine Mundwinkel zuckten, das dünne Lächeln verlieh seinem klassisch schönen Gesicht einen zynischen Ausdruck.
Auf dem Weg zu ihrer Schmuckschatulle blieb Therese mitten im Raum stehen. „Das wagst du nicht.“
Claudio fand die Anstrengungen ihrer Mutter, die bezwecken sollten, endlich von den oberen Zehntausend akzeptiert zu werden, überaus amüsant, Therese dagegen ließen sie keineswegs so kalt. Schließlich diente sie selbst als die Leiter, auf der ihre Mutter emporklettern wollte.
„Ich habe keine Lust, mir zum hundertsten Male anzuhören, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass aus mir eine Prinzessin geworden ist, oder welch privilegiertes Leben ich führe.“ Ganz zu schweigen davon, wie absolut erstaunlich es sei, dass Claudio ausgerechnet sie ausgewählt habe, wo ihm doch die begehrenswertesten Frauen der Welt zu Füßen lagen. Gerade diesen Teil der Rede wollte Therese nicht hören.
„Vielleicht zeigt sie ja mehr Verständnis für dein so augenscheinliches Hadern mit deinem Schicksal als ich.“ Claudios Tonfall ließ erahnen, dass er nur zum Teil scherzte, und seine Augen blickten ernst und forschend.
„Ich hadere nicht mit meinem Schicksal.“ Besagtes Schicksal hatte ihr soeben einen vernichtenden Schlag versetzt, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, es Claudio zu sagen.
Ihr anscheinen