Der Hund lag mitten auf dem Gehsteig. Er war weiß-gelb gefleckt, nicht allzu groß, aber kompakt. Es schien, als äugte er zu ihr herüber. Sie sah seine spitzen Zähne und sah ihn grinsen. Hunde waren so. Erst taten sie harmlos, dann schnappten sie zu.
Die Luft sirrte, ihre Wangen brannten. Der Flieder duftete wie verrückt. Sie blieb stehen – gespannt, bereit loszurennen, sobald er den Kopf hob, aber nichts dergleichen geschah. Mit dem Handrücken wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und sah sich um. Die Straße lag ruhig da. Rechterhand duckten sich kleine verwitterte Häuser mit selbstgebauten Veranden zwischen kraftlose Sträucher.
Wenn er sie anfiel … Ihr Blick lief die verwilderte Buchsbaumhecke entlang, sprang über den schmalen, von Autos zugeparkten Weg und tastete die gegenüberliegende Seite ab: schlichte, ein Stück von der Straße zurückgesetzte Einfamilienhäuser, blendendes Weiß, Kunststofffenster, die Rollläden geschlossen. Die Fassaden waren, anders als herüben, kühl und zurückhaltend. In den winzigen Gärten verdorrte der ordentlich rasierte Rasen. Einzig das Grün ein Haus weiter hatte die Hitze der letzten Tage überlebt. Das Gartentor war angelehnt, Kinderspielzeug lag herum. Unter dem Giebel gähnte ein offenes Fenster.
Sie atmete aus. Der Hund rührte sich nicht. Er glich einem großen Stofftier, das jemand – ein Kind, dachte sie – verloren hat. Oder über den Zaun gepfeffert im Streit. Schlaff lag er da.Abgefeimt. –Aber nicht mit mir! Sie schob sich näher an die Hecke heran. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, bückte sie sich nach einer abgebrochenen Schneestange, die zwischen allerlei angewehtem Unrat lag, begutachtete sie und schwang sie probeweise durch die Luft. Das eine – orangefarbene – Ende war dunkel vor Schmutz.
Abgefeimt. Sie mochte solche Wörter. Tom kannte eine Menge davon. Er erklärte ihr ganz genau, was sie bedeuteten, und wenn er sich nicht sicher war, sahen sie im Internet oder in einem seiner Bücher nach.
Nicht mit mir, Hund! Entschlossen packte sie den Stock fester und zwängte sich zwischen zwei parkenden Autos durch auf die Straße. Sie hörte sich selber atmen und spürte den Schweiß die Wirbelsäule entlang und zwischen ihren Brüsten rieseln. Jetzt war sie mit ihm auf einer Höhe. Aber da kam kein Knurren, kein Fiepen, kein Gebell. Sie linste zwischen zwei Autos durch: Er lag unverändert da.
Hier stimmte etwas nicht! In sicherem Abstand trat sie wieder auf den Gehsteig. Jetzt sah sie ihn von vorn. Unter seinem Kopf hatte sich eine dunkle Pfütze ausgebreitet. Vielleicht war ihm schlecht? Kreislaufprobleme! Es war brütend heiß. Oder ein Auto hatte ihn angefahren …
Auch wenn sie Hunde aus gutem Grund nicht mochte – man konnte ihn unmöglich hier in der prallen Sonne liegen lassen. Sie nagte an ihrer Unterlippe und nahm allen Mut zusammen. Er war matt, geschwächt. Das Risiko hielt sich in Grenzen.
»Hund!«
Nichts.
Fliegen summten.
Langsam ging sie auf ihn zu. Sie blieb stehen und zog die Unterlippe zwischen die Zähne, hob schließlich die Stange und stupste ihn vorsichtig an. »Hund?«
Aus der Nähe betr